Ein gefaehrlicher Liebhaber
zurücklassen«, sagte sie. »Ich habe also keine Beweise für die Existenz der steinernen Stadt und der Anzar. Mit dem Diamanten könnte ich die Leute von der Existenz dieses Volks überzeugen. Er würde sie aufhorchen lassen, sie würden mir zuhören. Man würde mindestens eine weitere Expedition ausschicken, und Vater wäre rehabilitiert. Und vielleicht könnte ich sogar Ricks Leiche bergen.«
»Ich selbst bring dich noch mal hin«, erklärte er ungehalten. »Du brauchst keinen Diamanten, um irgendwas zu beweisen.«
Sie betrachtete ihn nur, die grünen Augen ausdruckslos. »Und ich nehme an, du willst den Trip finanzieren.«
»Ja.« Er wies mit einem Kopfrucken auf den Rucksack. »Der Klunker wird mir jede Menge Geld einbringen.«
»Nein danke«, wies sie ihn ab. »Solches Geld will ich nicht.«
Wut kochte in ihm hoch. »Was soll das heißen, »solches Geld Das ist kein Blutgeld. Der Diamant an sich beweist gar nichts, außer, dass es in Brasilien ein paar verdammt große Diamanten gibt. Ich kann ihn zur Finanzierung einer weiteren Expedition zur steinernen Stadt hernehmen und trotzdem noch Riesenprofit machen. Du willst ihn hernehmen, um irgendwelche steifen Kragen dazu zu bringen, eine Expedition zu finanzieren, und selbst dabei profitieren, indem du den Namen deines alten Herrn reinwäschst. Vielleicht bin ich ja dumm, aber ich sehe da beim besten Willen keinen großen Unterschied, bloß dass meine Idee um eine ganze Ecke schlauer ist!«
»Der Diamant gehört dem brasilianischen Volk«, belehrte sie ihn, »genauso wie die Pyramiden den Ägyptern gehören. Oder fandest du es in Ordnung, dass man die Grabkammern in den Pyramiden ausgeraubt hat? Dass Geschichte zerstört wurde?«
»Da gibt’s einen kleinen Unterschied, Schätzchen. Der Diamant ist an der ganzen Steinstadt noch das Unwichtigste. Wichtig sind der Tempel, diese unheimlichen Statuen, die Stadt selbst, sogar dieser blöde Kessel - das ist das Wichtige, das ist es, was die Leute noch in hundert Jahren untersuchen werden. Der Diamant ist ohne Bedeutung.«
»Er ist ein unbezahlbares Artefakt.«
»Ein Artefakt!« Er maß sie mit einem ungläubigen Blick. »Er ist ein glänzender Stein, ein Schmuckstück, nichts weiter. Leg stattdessen einen Granaten in die Nische über dem Sarkophag, und es wäre das Gleiche. He, was meinst du? Das wär doch überhaupt die Idee! Selbst ein Granat in der Größe von einem Straußenei würde kein maßgebliches Loch in meinen Erlös des Diamanten reißen.«
Ihr Gesicht war wie versteinert, unnachgiebig. »Ihn zu nehmen ist Diebstahl.«
»Ach Shit«, sagte er verdrossen. »Verdammt, Jillian, glaubst du wirklich, ich habe mir all die Mühe gemacht, nur um das verdammte Ding dann jemandem auszuhändigen, der nicht mal den kleinsten Finger dafür gerührt hat? Wir haben auf der Suche nach dieser Stadt unser Leben riskiert.«
»Du bist dafür bezahlt worden, dass du genau das tust, was du getan hast«, verwies sie ihn. »Und ohne mich hättest du ihn nie gefunden. Tatsächlich hätte ich ihn statt dich gefunden, wenn du mich nicht dazu überredet hättest, das Ablenkungsmanöver für dich zu spielen, während du auf Schatzsuche gehst.«
»Ich habe nicht erwartet, irgendwas zu finden.«
»Und wieso nicht? Sonst war doch auch alles genau dort, wo ich gesagt habe, dass es sein würde.«
»Ich werde den Diamanten nicht rausrücken«, erklärte er kalt. »Also gib’s auf.«
»Willst du mich vielleicht über Bord werfen?«, fragte sie herausfordernd. »Alles, was ich tun muss, ist, mich an die Behörden zu wenden, wenn wir wieder in Manaus sind.«
»Und wie willst du beweisen, dass ich ihn habe?« Seine blauen Augen waren eisig.
Jillian schwieg, schier erstickt von ohnmächtiger Wut. Sie wusste genau, was passieren würde, wenn sie zu den Behörden ginge. Sie würden dem nachgehen und rausfinden, dass ihr Vater den verrücktesten Geschichten nachgejagt war und dass sie dem alten Spinner in nichts nachstand. Sie würden sie nicht ernst nehmen. Sie würden glauben, dass sie sich das alles nur ausgedacht hatte, um Aufmerksamkeit zu erregen. Nichts würde herauskommen dabei, so wie bei all den hirnrissigen Unternehmungen ihres Vaters.
Ben war viel zu klug, um zu versuchen, den Diamanten in Brasilien zu verkaufen. Seine Kontakte wären sicher illegal, aber sie wettete jetzt schon, dass die Kaiserin in Antwerpen auftauchen würde. Sie würde weltweit Aufsehen erregen, doch ihre Herkunft würde für ewig im Dunkeln
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