Ein gefährliches Geschenk
meines Alters bereits ganz erfolgreich dabei, in seine Fußstapfen zu treten.«
»Du hast Betrügereien begangen?«
Jenny klang fasziniert und schockiert zugleich, und Laine musste unwillkürlich lächeln.
»Meistens war ich nur am Rande beteiligt, aber manchmal durfte ich auch selber etwas tun. Taschendiebstahl war meine Spezialität. Ich hatte geschickte Hände, und die Leute achten nicht auf ein kleines Mädchen, wenn sie merken, dass man ihnen die Brieftasche geklaut hat.«
»Ach du liebe Güte«, stieß Jenny hervor.
»Mir gefiel es. Es war aufregend und vor allem einfach. Mein Vater … nun, er machte ein Spiel daraus. Wenn ich eine Brieftasche klaute, kam mir nie in den Sinn, dass der Bestohlene jetzt womöglich seine Miete nicht bezahlen konnte. Und als wir diesen Grundstücksschwindel machten und die Leute um ein paar tausend Dollar erleichterten, dachte ich nicht daran, dass das eventuell all ihre Ersparnisse waren. Es machte lediglich Spaß.«
»Du warst damals zehn«, warf Max ein. »Lass das Kind in Frieden.«
»Man könnte sagen, dass genau das passierte. Meiner Mutter wurde klar, dass sie ihr und mein Leben ändern musste, damit ich nicht abrutschte. Sie ließ sich von meinem Vater scheiden und zog weg, änderte ihren Namen und suchte sich einen Job als Kellnerin. In den ersten Jahren zogen wir häufig um. Nicht, um meinen Vater loszuwerden, das hatte sie nie vorgehabt. Sie teilte ihm stets mit, wo wir uns gerade aufhielten, solange er sein Wort hielt und nicht versuchte, mich erneut in etwas hineinzuziehen. Und er hielt sein Versprechen, was uns wohl alle drei überraschte. Wir zogen deshalb so oft um, damit uns nicht jedes Mal die Polizei behelligte …«
Sie brach ab und schenkte Vince ein klägliches Lächeln. »Tut mir Leid, aber wenn du einmal irgendwo in der Kartei bist, und sei es auch nur als Verwandter eines Kriminellen, dann wirst du von jedem Dorfpolizisten beobachtet. Meine Mutter wollte nur ein neues Leben führen. Und sie wollte, dass ich sauber blieb. Es war nicht leicht für sie, denn sie liebte Jack auch. Und ich war ihr keine große Hilfe. Mir gefiel das Spiel, und ich wollte nicht damit aufhören und schon gar nicht von meinem Vater getrennt sein.«
Sie schenkte Kaffee nach, obwohl sie ihre eigene Tasse noch gar nicht angerührt hatte.
»Aber meine Mutter bemühte sich sehr, und nach und nach bekam ich ein Gefühl dafür, wie stolz und zufrieden es sie machte, ein ehrliches Leben zu führen. Nach einer Weile zogen wir dann nicht mehr so oft um, packten nicht mehr mitten in der Nacht die Koffer und verschwanden aus Wohnungen oder Hotelzimmern. Und sie brach ihre Versprechen nicht, im Gegensatz zu meinem Vater, der äußerst unzuverlässig war. Wenn meine Mutter etwas sagte, dann hielt sie sich auch daran.«
Schweigend sahen die drei zu, wie sie an den Kühlschrank trat, und einen Krug Wasser herausholte, auf dem Zitronenscheiben schwammen. Sie schenkte sich ein Glas ein und trank es durstig, um ihre Kehle zu befeuchten.
»Na ja, und dann änderte sich auch etwas. Sie lernte Rob Tavish kennen, und alles wurde besser. Er ist wundervoll, verrückt nach ihr, und er war von Anfang an gut zu mir.
Lieb und nett und dauernd zu Späßen aufgelegt. Ich nahm seinen Namen an und wurde Laine Tavish, weil Laine Tavish normal und verantwortungsbewusst war. Sie konnte ein Haus und ein Geschäft haben und ein eigenes Leben führen. Ihr Leben würde zwar nicht mehr so aufregend sein wie früher, aber mit Sicherheit auch nicht so beängstigend.
Genauso wollte ich es haben. Deshalb erfand ich, wann immer mich jemand nach meiner Familie oder meinem bisherigen Leben fragte, alles Mögliche, das zu Laine Tavish passte.
Es tut mir Leid. Das ist alles. Es tut mir Leid.«
Eine Minute herrschte Schweigen. »Okay, wow«, sagte Jenny schließlich mit großen Augen. »Wenn sich mir der Kopf nicht mehr dreht, habe ich jede Menge Kommentare und Fragen, aber zuallererst möchte ich wissen, was das damit zu tun hat, dass du in Schwierigkeiten steckst.«
»Es gibt irgendein Sprichwort oder so, dass man seiner Vergangenheit nicht entfliehen kann, dass sie einen ewig wieder einholt. William Young.« Vince nickte bedächtig, und Laine war klar, dass er eins und eins zusammenzählte.
»Der Mann, der vor deinem Laden überfahren worden ist«, warf Jenny ein.
»Ja. Er arbeitete mit meinem Vater zusammen. Sie standen sich sehr nahe, und er wohnte die meiste Zeit bei uns. Ich nannte ihn Onkel Willy. Ich
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