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Ein Gentleman wagt - und gewinnt

Ein Gentleman wagt - und gewinnt

Titel: Ein Gentleman wagt - und gewinnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Ashley
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sie Abbie bislang nicht allzu gut kannte, hätte sie nicht vermutet, dass die junge Dame zur Übellaunigkeit neigte. Aber heute Morgen wirkte sie melancholisch und in sich gekehrt. Was mochte sie bedrücken? Mr. Cavanaghs Anwesenheit auf der Soiree?
    Um das herauszufinden, gab es nur eine Möglichkeit. Sie musste das heikle Thema anschneiden. “Also wirklich, mein Liebes, du solltest dir keine unnötigen Sorgen machen. Immerhin bist du dreiundzwanzig Jahre alt. Niemand kann dich zwingen, einen Mann zu heiraten, der dir missfällt.”
    “Ja, das stimmt. Trotzdem hofft Großvater unverdrossen, er könne es bewerkstelligen, und wir haben uns nicht im besten Einvernehmen getrennt.” In Abigails Stimme klang leise Wehmut mit. “Übrigens hat er angekündigt, er würde mich enterben, wenn ich mich mit dem
falschen
Mann vermähle.”
    Bestürzt starrte ihre Patentante sie an. Allem Anschein nach war Colonel Graham ein kaltherziger alter Hagestolz, der keinerlei Rücksicht auf die Gefühle seiner Enkelin nahm. Diese Erkenntnis bewog Lady Penrose zu dem Entschluss, seine Pläne zu durchkreuzen. Gleichzeitig empfand sie Scham und tiefe Reue, weil sie sich niemals die Mühe gemacht hatte, die Tochter ihrer verstorbenen Freundin zu besuchen. Indes hatte sie geglaubt, ihr Patenkind sei bei seinem Großvater in den besten Händen. Offensichtlich war dies ein Irrtum gewesen. Und jetzt wollte sie wiedergutmachen, was sie in der Vergangenheit versäumt hatte.
    Doch zuerst musste sie herausfinden, warum es der jungen Dame so sehr widerstrebte, sich mit Barton Cavanagh zu verehelichen. Auf sie hatte der Gentleman einen ausgezeichneten Eindruck gemacht.
    “Wirst du dich in irgendeiner Weise von deinem Großvater beeinflussen lassen?”, fragte sie in sanftem Ton.
    “Ganz sicher nicht!”, erwiderte Abigail entschieden. “Falls ich je vor den Traualtar trete, dann mit einem Mann, den ich mir selber aussuche.”
    Erfreut über die Willenskraft ihrer Patentochter, bot Lady Penrose ihr Hilfe an. Abigail akzeptierte sie dankbar.
    “Schon vor meiner Abreise aus Leicestershire erkannte ich, welch ein Fehler es wäre, nach Foxhunter Grange zurückzukehren”, gestand sie. “Dazu wäre ich bereit, falls ich hoffen dürfte, mein Großvater würde nachgeben und nicht mehr auf meiner Eheschließung mit seinem Patensohn bestehen …” Traurig schüttelte sie den Kopf. “Aber dieses Ziel verfolgt er nach wie vor. Sonst hätte er mich nicht gerade jetzt hierhergeschickt, wo sich auch Barton in Bath aufhält – ein unwiderlegbarer Beweis.”
    Lady Penrose griff über den Tisch hinweg nach Abbies Hand. “Warst du sehr unglücklich, Kindchen?”
    “Zumindest war ich in den letzen Jahren nicht sehr froh.”
    “Allmählich entwickle ich eine heftige Abneigung gegen deinen Großvater.”
    “Oh, bitte nicht, Tante!” Zu ihrer eigenen Überraschung verteidigte Abigail den Colonel. “Glaub mir, als er mich damals bei sich aufnahm, war er die Güte in Person.” Mit einem träumerischen Lächeln beschwor sie Bilder aus der Vergangenheit herauf. “Obwohl er viel Zeit mit mir verbrachte, stellte er zusätzlich eine Gouvernante ein, bei der ich einen ausgezeichneten Unterricht genoss. Er ging mit mir reiten und angeln. Und er lehrte mich sogar, eine Pistole zu benutzen. So viele glückliche Stunden erlebte ich in seiner Gesellschaft … Erst nachdem ich mich geweigert hatte, Barton zu heiraten, begegnete er mir kühl und unnahbar. Bis zu einem gewissen Grad verstehe ich sein Verhalten.” Diese Worte bekundeten eine Toleranz, die Ihre Ladyschaft bewundernswert fand.
    “Barton besitzt viele der Eigenschaften, die Großvater an einem Mann schätzt”, fuhr Abigail fort. “Allein seine Reitkunst und seine hervorragenden Leistungen im Krieg hätten dem Colonel genügt, um seinen Patensohn auf ein Podest zu stellen. Doch er vergötterte ihn schon vor dem Feldzug. In seinen Augen kann Barton gar nichts falsch machen.”
    “Aber du, mein Liebes, respektierst ihn nicht?”, fragte Lady Penrose vorsichtig.
    Sofort verschloss sich die Miene ihrer Patentochter. Abbie stand auf und trat ans Fenster. “Nein, Tante, gewiss nicht.” Nur zu deutlich bekundete ihre kalte, harte Stimme, welch ein Fehler es wäre, nach den Gründen dieser Abneigung zu forschen.
    Trotzdem konnte Lady Penrose ihre Neugier nicht bezähmen. “Gab es irgendeine Vereinbarung, die eure Vermählung betraf?”
    “Von meiner Seite aus nicht”, antwortete Abigail nach einer Pause.

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