Ein Gentleman wagt - und gewinnt
werden keine Dinnergesellschaften mehr stattfinden. Und ich reise nächstes Wochenende mit Lady Penrose ab.” Nein, an diesem Abend wollte sie nicht Trübsal blasen. Entschlossen bezwang sie die schmerzlichen Gefühle in ihrem Herzen. “Bis dahin sollten Sie sich ein paar Ratschläge von Miss Felcham geben lassen. Sie ist eine sehr tüchtige junge Frau. Und eines Tages werden Sie sicher genauso gute Arbeit leisten.”
“Darum will ich mich bemühen”, versprach Rose lächelnd. “Auch wenn die Mistress schon eine Zofe hat und eine andere hier nicht gebraucht wird – außer der Master heiratet. Eigentlich dürfte er nicht mehr allzu lange damit warten.”
Diese Worte vertieften Abbies Kummer. Sie tastete nach der Lehne eines Stuhls, um Halt zu finden. Schlimm genug, dass sie Cavanagh Court verlassen würde … Aber Bartons baldige Hochzeit …
Nur nicht daran denken …
Schließlich bot sie ihre gesamte innere Kraft auf, die in den letzten Jahren stetig gewachsen war, und begab sich nach unten.
Die Schultern gestrafft, betrat sie den Salon, wo sich die anderen bereits versammelt hatten. Zum Glück bewunderte Kitty gerade lautstark den Amethystanhänger, den Barton seiner Stiefmutter zum Geburtstag geschenkt hatte, und so achtete niemand auf Abbie. Unbemerkt sank sie in den Sessel neben ihrer Patentante.
Auch die Ankunft der Gäste lenkte die Aufmerksamkeit der Anwesenden von ihr ab. Als sie beim Dinner saß und die ersten Gänge des erlesenen Menüs serviert worden waren, fühlte sie sich etwas besser. Trotzdem vermied sie es, zum Kopfende der Tafel zu schauen, wo Barton angeregt mit Lady Warren und der Ehefrau eines anderen Nachbarn plauderte.
“Du und Kitty, ihr müsst heute Nachmittag hart gearbeitet haben, um die unzähligen Blumen zu arrangieren, Liebes”, bemerkte Lady Penrose, während sie mit ihrer Patentochter in den Salon zurückkehrte.
“Ja, und ich bin froh, dass bisher alles gut gegangen ist.” Abbie schaute zur Tür hinüber, wo Eugenie neben ihrem Stiefsohn stand und die Gäste begrüßte, die nur zur Party eingeladen waren. “Natürlich wussten wir von Anfang an, dass sich dieses Ereignis unmöglich geheim halten ließ. Also erzählten wir Eugenie, dass ein paar Leute zum Essen kommen würden. Darum hatte sie nicht mit einer so großen Tischgesellschaft gerechnet. Aber das Fest nach dem Dinner ist die eigentliche Überraschung, und das verdanken wir dir, Tante Henrietta. Welch eine wundervolle Idee, eine Kutschenfahrt mit Eugenie zu unternehmen und sie lange genug vom Haus fernzuhalten …”
“Oh, ich habe den Ausflug in vollen Zügen genossen. Die Gegend hier kannte ich noch nicht, und ich finde die Landschaft wunderschön …” Lady Penrose unterbrach sich, denn sie hatte jemanden entdeckt, den sie kannte. “Oh Gott, was treibt dieser junge Stutzer denn hier? Und ich dachte, er wäre nach London zurückgekehrt!”
Abbie drehte sich um. Was Cedric Cavanaghs extravaganten modischen Geschmack anging, übertraf er an diesem Abend sich selbst. Zu einem orangegelben Gehrock trug er farblich passende Breeches, und in seinem kunstvoll geknoteten Krawattentuch funkelte ein überdimensionaler Smaragd. “Du meine Güte!”, murmelte sie. “Schau dir Bartons Gesichtsausdruck an! Hoffentlich beherrscht er sich und verzichtet auf allzu beleidigende Kommentare, wenn er sich mit seinem Vetter unterhält.”
“Was für ein alberner Geck!”, tadelte Lady Penrose. “Kein Wunder, das Barton ihn verachtet …”
“Obwohl Cedric seit fast drei Wochen zu Gast auf Warren Hall ist, besucht er Cavanagh Court heute zum ersten Mal. Und Barton scheint genauso wenig Interesse an der Gesellschaft seines Vetters zu haben. Als er neulich bei den Warrens zum Dinner war, erfuhr er, dass Cedric heute Abend nicht mit uns speisen würde, weil er und Richard Warren einen Boxkampf anschauen wollten.”
“Seltsam! Dieser affektierte Schwachkopf findet Gefallen an einem so männlichen Sport?”
“Nun, vielleicht trügt der äußere Schein … Vorsicht!” Abbie berührte den Arm ihrer Patentante. “Er kommt auf uns zu.”
“Oh, welch eine Überraschung, Mr. Cavanagh!”, begrüßte ihn Lady Penrose. “Nach Ihrer Abreise hat Bath allen Glanz verloren. Offenbar haben Sie ihn mitgenommen, denn ich sehe ihn in Ihrem Krawattentuch glitzern.”
Cedric nahm das Kompliment für bare Münze und spähte geschmeichelt zu seinem Smaragd hinab. “Ja, ein prächtiger Stein, nicht wahr? Mama schenkte ihn mir zu
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