Ein Gentleman wagt - und gewinnt
befreien.
Dass sie selber die Schuld an ihrer misslichen Lage trug, besserte ihre Stimmung keineswegs. Obwohl sie gewusst hatte, welche Gefahren in der Umgebung von Cavanagh Court lauerten, war sie so unvernünftig gewesen, den verdächtigen Karren zu inspizieren. Schlimmer noch – wenn ihr die Flucht nicht gelang, würde Barton sterben …
Dieser grausige Gedanke machte es ihr leicht, die Schmerzen in ihren Handgelenken zu ignorieren, während sie sich gegen die Stricke stemmte. Schließlich musste sie ihre Niederlage akzeptieren. Ohne Hilfe würde sie ihre Freiheit niemals zurückgewinnen. Bedauerlicherweise wusste kein Mensch – ihr Reitknecht vielleicht ausgenommen –, wo sie sich befand. Aber wenn Dodd recht hatte, war Josh womöglich nicht mehr in der Lage, irgendjemanden zu verständigen. Und Barton? Wenn er den Brief erhielt, würde er geradewegs in die Falle tappen.
Sollte sie sich weigern, die Nachricht zu verfassen? Nein, das war zwecklos – die Schurken würden sie dazu zwingen. Doch was, wenn sie versuchte, eine versteckte Warnung hinzuzufügen? Dodd war des Schreibens und Lesens nicht kundig, da war sie sicher. Aber galt das auch für seinen rachsüchtigen Komplizen? Würde er überprüfen, was sie geschrieben hatte? Wenigstens durfte sie hoffen, dass er die ein oder andere falsche Buchstabierung nicht erkannte. Da sie ohnehin keine Wahl hatte, musste sie es auf diesem Wege probieren.
Kaum hatte sie den Entschluss gefasst, hörte sie erneut schwere Schritte und nahm an, dass ihre Entführer zurückkamen, um ihr die Lösegeldforderung zu diktieren.
14. KAPITEL
A uf dem Heimweg widerstand Barton nur mühsam dem Drang, die Taverne an der Evesham Road gleich aufzusuchen. Je eher er diesem elenden Verbrecher Searle gegenübertrat, desto besser … Doch er kannte sein hitziges Temperament und war sich darüber im Klaren, dass er der Versuchung, nachzuholen, was die Armee an dem Schurken versäumt hatte, womöglich nicht würde widerstehen können.
Er lenkte Samson Richtung Cavanagh Court und nahm die Abkürzung durch den Wald, da er vorhatte, den Lunch gemeinsam mit Abbie einzunehmen – die letzte Mahlzeit vor ihrer Abreise. Nur der Himmel mochte wissen, wann er ernsthaft um sie werben durfte. Aber vielleicht konnte er schon in wenigen Tagen nach Bath fahren – falls es tatsächlich Septimus Searle war, der die Anschläge auf ihn und die Frau, die er liebte, zu verantworten hatte.
Diese beglückende Aussicht hätte seine Gedanken noch länger beherrscht, wäre ihm nicht eine plötzliche Bewegung zu seiner Linken aufgefallen. Als er den Blick in die Richtung wandte, entdeckte er zu seiner Verwunderung nicht das Reh, das er zu sehen erwartet hatte, sondern Abbies gescheckte Stute. Nicht weit entfernt graste der Wallach, den die Reitknechte benutzten, wenn sie die Herrschaften eskortierten.
Abbie hatte erwähnt, wie gern sie in der Sommerhitze durch den schattigen Wald ritt.
Dennoch war er beunruhigt. Wieso ließen sie und ihr Begleiter – zweifellos Josh – die Pferde frei umherstreifen? Eine solche Nachlässigkeit passte nicht zu dem jungen Arkwright. Und zu ihr schon gar nicht …
Bartons Unbehagen verstärkte sich, nachdem er mehrmals die Namen der beiden gerufen und keine Antwort erhalten hatte. Schließlich band er die Tiere fest, auch seinen Hengst, und ging auf die Suche. Nur das Zwitschern der Vögel durchbrach die Stille – bis er ein schmerzliches Stöhnen hörte.
Sekunden später fand er Josh am Boden liegend. Bestürzt kniete er sich neben den Verletzten und setzte ihm den Taschenflakon, den er stets bei sich trug, wenn er ausritt, an die bläulichen Lippen. Wie das verkrustete Blut an Joshs Kopf verriet, war er brutal niedergeschlagen worden. Glücklicherweise weckte der Brandy seine Lebensgeister, und er richtete sich langsam auf.
“Was ist passiert, mein Junge?”, fragte Barton in sanftem Ton.
Im nächsten Moment befürchtete er, sein Reitknecht sei schwerer verletzt, als es den Anschein hatte, denn Josh schien zu fantasieren.
“Fußangeln?”, wiederholte Barton ungläubig.
“Aye, Sir. Miss Abbie und ich haben sie auf einem Pferdekarren entdeckt. Und sie war ganz sicher, Sie würden so ein Teufelszeug niemals auslegen lassen. Also musste irgendjemand was Böses im Schilde führen. Deshalb wollte ich mich umschauen. Was dann geschah … Daran erinnere ich mich nicht.”
Da das Fuhrwerk nirgends zu sehen war, hatte man Abbie offenbar darin fortgeschafft. Nur mühsam
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