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Ein Gentleman wagt - und gewinnt

Ein Gentleman wagt - und gewinnt

Titel: Ein Gentleman wagt - und gewinnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Ashley
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müssen. Inzwischen war sie zu Kräften gekommen und durchaus imstande, für sich selber zu sorgen. Doch sie wollte sich nicht zu viel zumuten und womöglich zunichtemachen, was Lady Penrose und Miss Felcham, die tüchtige Zofe, einen Monat lang mit unermüdlicher aufopferungsvoller Pflege erreicht hatten. Andererseits fand sie, es sei an der Zeit, wenigstens einen Teil ihrer Unabhängigkeit zurückzuerobern, die ihr so viel bedeutete.
    An die ersten Tage nach ihrer Verletzung erinnerte sie sich nur vage. Unter dem Einfluss des Laudanums war sie zumeist benommen gewesen. Von Lady Penrose wusste sie, dass Barton und Josh sie in einem klapprigen alten Karren nach Cavanagh Court gebracht hatten und dass ihr Zustand von Dr. Phelps als kritisch eingeschätzt worden war. Etwa eine Woche lang hatte ihr Leben an einem seidenen Faden gehangen.
    Zu ihren wichtigsten Eindrücken gehörte der Anblick ihres Großvaters. Bleich und verhärmt, ein Schatten seiner selbst, hatte er an ihrem Bett gesessen. Angesichts seiner rührenden Besorgnis war es ihr leichtgefallen, ihm alles zu verzeihen, was er ihr in den vergangenen Jahren angetan hatte. Obwohl er niemals zeigte, was ihn bewegte, erkannte sie, wie sehr er sie liebte. Hätte sie sich der Gefühle, die ein anderer Gentleman für sie empfand, doch ebenso sicher sein können …
    Immer wieder betonte ihre Patentante, Barton habe in der ersten Zeit viele Stunden lang neben dem Krankenlager Wache gehalten.
    Und Abbie wusste tatsächlich noch, dass sie die Umrisse einer hochgewachsenen Gestalt in ihrem Zimmer wahrgenommen hatte, genauso wie die Berührung einer warmen Hand. Indes konnte es auch ihr Großvater gewesen sein, denn Barton besuchte sie nicht mehr oft, seit ihre Kräfte zurückgekehrt waren. Wenn er zu ihr kam, dann nur in Gegenwart anderer.
    Es klopfte an der Tür, und der Colonel trat ein und lenkte seine Enkelin von ihren melancholischen Gedanken ab. Seine Kleidung verriet, wie er diesen Vormittag zu verbringen plante.
    “Oh, du willst ausreiten, Großvater”, seufzte Abbie wehmütig, nachdem er ihre Wange geküsst hatte – eine zärtliche Geste, die er neuerdings niemals versäumte. “Wie gern würde ich dich begleiten …”
    “Das wird dein Zustand bald wieder gestatten. Und glaub mir, mein liebes Kind, darauf freue ich mich genauso wie du.” Ausnahmsweise setzte er sich nicht neben das Bett, sondern ging zum Fenster, bevor er hinzufügte: “Da du fast genesen bist, müssten wir etwas besprechen – nämlich deine Zukunft.”
    Deutlich genug hörte sie die Reserviertheit aus seiner Stimme heraus. An diesen Ton hatte sie sich im Lauf der Jahre gewöhnt. Aber diesmal schlug er ihn nicht an, weil sie in Ungnade gefallen war. Stattdessen gewann sie den Eindruck, dass er Unbehagen empfand, vielleicht sogar Reue.
    Ihre Vermutung bestätigte er wenige Sekunden später. “In diesen letzten Jahren war ich ein verdammter Narr. Und ich kann dich nur inständig ersuchen, mir zu vergeben, dass ich dich so schlecht behandelt habe.”
    Wie wundervoll wäre es gewesen, diese Worte zu hören, bevor sie Foxhunter Grange verlassen hatte … Inzwischen dachte sie ganz anders darüber, denn der Colonel hatte völlig zu Recht behauptet, Barton sei genau der Richtige für sie. Eigentlich müsste sie um Nachsicht bitten.
    Wahrheitsgemäß erwiderte sie daher: “Es gibt nichts zu verzeihen, Großvater.”
    “Oh doch, mein Kind”, protestierte er leise. “In selbstgerechter Empörung kam ich hierher, voller unbegründeter Vorurteile. Ich dachte, du hättest Barton veranlasst, einen Brief zu schreiben, den ich für eine infame Beleidigung hielt. Aber dann hat er mir einiges klargemacht.”
    “Gewiss, er pflegt seine Meinung unmissverständlich zu äußern”, bemerkte Abbie und lächelte amüsiert. “In mancher Hinsicht ähnelt ihr euch, du und Barton. Ihr seid beide starke, energische Persönlichkeiten. Und es käme euch gar nicht in den Sinn, ein Blatt vor den Mund zu nehmen.”
    “Ja, das stimmt.” Auch Colonel Graham musste lächeln. “Wenigstens sind wir nicht zu stolz, um einen Fehler einzugestehen. Leider war ich sehr ungerecht gegen dich, Abbie.” Nun trat er neben das Bett, und sie las tiefes Bedauern in seinen Augen. “Darauf wies Barton mich am Abend meiner Ankunft in Cavanagh Court hin, und er betonte, es wäre grundfalsch gewesen, wenn ihr vor sechs Jahren geheiratet hättet. Ihr beide wart damals noch sehr jung.”
    Genau das wollte sie
nicht
hören. “Ich

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