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Ein Geschenk der Kultur

Ein Geschenk der Kultur

Titel: Ein Geschenk der Kultur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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anrief, um mir zu sagen, daß er aufgehalten worden sei; er wußte, daß ich das Terminal in der Wohnung zurückgelassen hatte, deshalb konnte er mich nicht direkt anrufen. Aber würde er meinen Namen durch einen ganzen großen Bahnhof tönen lassen, wenn er wußte, daß ich versuchte, mich leise und unbeobachtet aus dem Staub zu machen? Nahm er das Ganze noch immer so sehr auf die leichte Schulter? Ich wollte das Gespräch nicht entgegennehmen. Ich wollte nicht einmal darüber nachdenken.
    Mein Zug sollte in zehn Minuten abfahren; ich hob meine Tasche hoch. Die Bahnhofsaufsicht ließ mich noch einmal ausrufen, und diesmal nannte sie Mausts Namen. Ich hatte also keine Wahl.
    Ich ging an den Informationsschalter. Es war ein Sichtbildanruf.
    »Wrobik«, seufzte Kaddus und schüttelte den Kopf. Er befand sich in irgendeinem Büro; in einer unbekannten, nichtssagenden Umgebung. Maust stand blaß und verängstigt direkt hinter Kaddus’ Stuhl. Cruizell stand dicht hinter Maust und grinste über dessen schlanke Schulter hinweg. Cruizell bewegte sich leicht, und Maust zuckte zusammen. Ich sah, daß er sich auf die Lippe biß. »Wrobik«, wiederholte Kaddus. »Wohin reist du so plötzlich ab? Ich dachte, wir hätten eine Verabredung, oder nicht?«
    »Ja«, sagte ich leise und blickte Maust in die Augen. »Wie dumm von mir. Ich verschiebe meine Reise… für ein paar Tage. Maust, ich…« Der Bildschirm wurde grau.
    Ich drehte mich langsam in der Fernsprechzelle um und sah meine Tasche an, in der die Pistole war. Ich hob die Tasche an. Mir war bisher gar nicht aufgefallen, wie schwer sie war.
     
    Ich stand im Park, umgeben von tropfenden Bäumen und ausgewaschenen Steinen. Wege, die in dem ausgefahrenen Boden angelegt waren, führten in verschiedene Richtungen. Die Erde roch warm und feucht. Ich blickte von der höchsten Stelle einer sanft ansteigenden Böschung hinunter, wo Vergnügungsboote in der Abenddämmerung dahinglitten und sich die Lichter auf dem stillen Wasser des Bootsteichs spiegelten. Das in Richtung Sonnenuntergang liegende Stadtviertel bildete in der Ferne eine dunstige Plattform aus Licht. Ich hörte Vögel, die in den Bäumen um mich herum sangen.
    Die Positionslampen der V-Bahn stiegen wie ein Band aus blitzenden roten Perlen in den blauen Abendhimmel; die Gipfelstation der V-Bahn leuchtete hundert Kilometer über mir noch ungetrübt im Sonnenschein. Laserstrahlen, normale Suchscheinwerfer und chemische Feuerwerke erleuchteten allmählich den Himmel über den Parlamentsgebäuden und dem Großen Platz der Inneren Stadt; ein Schauspiel zur Begrüßung des zurückkehrenden siegreichen Admirals, und vielleicht auch des Botschafters der Kultur. Ich konnte das Schiff bis jetzt noch nicht sehen.
    Ich setzte mich auf einen Baumstumpf und zog den Mantel fester um mich. Die Pistole war in meiner Hand; eingeschaltet, betriebsbereit, richtig eingestellt, klar zum Schuß. Ich hatte versucht, gründlich und professionell vorzugehen, als ob ich wüßte, was ich tat; ich hatte sogar ein gemietetes Motorrad in einem Gebüsch auf der anderen Seite der Böschung zurückgelassen, in der Nähe der belebten Hauptpromenade. Vielleicht glückte mir sogar dieses Unternehmen. Das redete ich mir jedenfalls ein. Ich warf einen Blick auf die Pistole.
    Ich hatte mit dem Gedanken gespielt, sie zu benutzen, um Maust zu befreien oder vielleicht um mich selbst umzubringen; ich hatte sogar erwogen, sie zur Polizei zu bringen (eine andere, langsamere Form des Selbstmordes). Ich hatte sogar in Betracht gezogen, Kaddus anzurufen und ihm zu sagen, daß ich sie verloren hätte, daß sie nicht funktionierte, daß ich keinen Mitbürger der Kultur töten könnte – irgend etwas. Aber schließlich… – nichts.
    Wenn ich Maust zurückhaben wollte, mußte ich tun, worauf ich mich nun mal eingelassen hatte.
    Etwas glitzerte am Himmel über der Stadt; ein Muster aus herabfallenden goldenen Lichtern. Das Licht in der Mitte war heller und größer als die anderen.
    Ich hatte geglaubt, keinerlei Gefühl mehr zu haben, doch ich empfand einen scharfen Geschmack im Mund, und meine Hände zitterten. Vielleicht konnte ich mich in Raserei versetzen, wenn das Schiff gelandet war, und auch die V-Bahn angreifen, das ganze Ding am Boden zerschmettern lassen. (Oder würde ein Teil davon in den Raum davontrudeln? Vielleicht sollte ich es schon deshalb tun, um das herauszufinden.) Ich könnte die halbe Stadt von meinem Standpunkt aus bombardieren (zum Teufel,

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