Ein Geschenk der Kultur
einer Xenophobie befallen. Die Ursache kam von innen, nicht von außen.
»Darf ich dir etwas verraten?«
»Wie meinst du das?« sagte ich. Was für eine seltsame Frage, dachte ich.
»Nun, vielleicht findest du es… geschmacklos; ich weiß es nicht.«
»Verrate es mir trotzdem. Ich habe ein unerschütterliches Gemüt.«
»Ich bin… ich habe das Schiff gebeten, mich… zu verändern.« Er warf mir einen flüchtigen Blick zu. Ich musterte ihn. Die gebeugte Haltung, die Magerkeit und die blasse Haut hätten nicht der Dienste des Schiffes bedurft. Er bemerkte meinen abschätzenden Blick und schüttelte den Kopf. »Nein, nicht äußerlich, innerlich.«
»Oh. Wie das?«
»Nun, ich habe mir… innere Organe ähnlich wie die der Eingeborenen einsetzen lassen. Und die Narkotika-Drüsen habe ich mir entfernen lassen, ebenso wie das… ähm…« Er lachte nervös. »Das Schlaufensystem in meinen Hoden.«
Er ging weiter. Ich glaubte ihm sofort. Ich konnte mir allerdings nicht vorstellen, daß das Schiff sich zu so etwas bereit gefunden hatte, aber ich glaubte Linter. Ich wußte nicht, was ich sagen sollte.
»Deshalb… ähm… bleibt mir keine andere Wahl, als häufig zur Toilette zu gehen, und ich… ich mußte auch etwas mit meinen Augen unternehmen.« Er hielt inne. Jetzt war es an mir, zu meinen Füßen hinunterzustarren, wie ich da in meinen aufwendigen italienischen Bergschuhen die Stufen hinaufkletterte. Ich wollte all das nicht hören. »Sie mußten, grob gesagt, neu verdrahtet werden, damit ich so sehen kann, wie sie sehen. Etwas zerfaserter, irgendwie weniger – nun, nicht weniger farbig, sondern eher… irgendwie gequetschter. Bei Nacht kann ich auch nicht viel erkennen. Dasselbe gilt für meine Ohren und die Nase. Aber dadurch… Nun, es ist beinahe so, daß dadurch alle Eindrücke verstärkt werden, verstehst du? Ich bin immer noch froh, daß ich es gemacht habe.«
»Aha.« Ich nickte, ohne ihn anzusehen.
»Mein Immunsystem ist jetzt auch anfälliger. Ich kann mich erkälten und… alles mögliche. Die Form meines Schwanzes habe ich nicht verändern lassen; meiner Ansicht nach kann er so bleiben. Wußtest du, daß es hier beträchtliche Unterschiede bei den Genitalien gibt? Die Buschmänner der Kalahari haben eine ständige Erektion, und ihre Frauen haben etwas, das Tablier Egyptien genannt wird, einen kleinen Fleischwulst, der ihre Genitalien verdeckt.« Er vollführte einen Schwenk mit einer Hand. »Ich bin also keineswegs so abartig. Meiner Meinung nach ist das alles eigentlich gar nicht so schrecklich, findest du nicht? Ich weiß nicht, warum ich befürchtet habe, du könntest angeekelt oder so etwas sein.«
»Hmm.« Ich fragte mich, was wohl in das Schiff gefahren sein mochte, daß es all diese Dinge mit dem Mann angestellt hatte. Es hatte eingewilligt, all diese Dinge – mir fiel keine andere Bezeichnung als ›Verstümmelungen‹ ein – an ihm durchzuführen, und dennoch wollte es das Terminal nicht von ihm annehmen. Warum hatte es all das mit ihm gemacht? Es behauptete, es wollte seine Einstellung ändern, aber statt dessen hat es seinen Körper geändert und war auf seinen wahnwitzigen Wunsch eingegangen, den Eingeborenen ähnlicher zu werden.
»Ich kann jetzt mein Geschlecht nicht mehr ändern, wenn ich es wollte. Die Gliedmaßen wachsen immer noch nach, wenn sie abgeschnitten werden, daran konnte das Schiff nichts ändern, nicht so schnell; das braucht Zeit, intensive Pflege; und es weigerte sich auch, Einfluß zu nehmen auf… ähm… die Geschwindigkeit meines Uhrwerks, oder wie man es nennen will. Ich werde also immer noch sehr langsam alt, lebe länger als sie… Aber ich denke, es wird sich noch erweichen lassen, wenn es merkt, daß es mir vollkommen ernst ist.«
Mir fiel keine andere Erklärung ein, als daß das Schiff, indem es Linters Physiologie dem planetarischen Standard weitgehend angepaßt hatte, dem Mann zeigen wollte, was für ein erbärmliches Leben die Leute hier führten. Vielleicht dachte es, wenn es ihn mit der Nase in die menschlichen Lebensbedingungen stieße, würde er reumütig zu den vielfältigen Wonnen des Schiffs zurückeilen, letztendlich zufrieden mit seinem Dasein in der Kultur.
»Es stört dich doch nicht, oder?«
»Stören? Warum sollte es mich stören?« sagte ich und kam mir im selben Moment albern vor, weil ich mich wie in einer kitschigen Schnulze anhörte.
»O doch, ich sehe dir an, daß es so ist«, sagte Linter. »Du hältst mich für verrückt,
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