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Ein Geschenk der Kultur

Ein Geschenk der Kultur

Titel: Ein Geschenk der Kultur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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Blick wieder ab.
    »Es macht mir nichts aus. Das hier ist eine hübsche Stadt.« Ich zog meine Lederjacke aus und warf sie mir über die Schulter. Ich trug Jeans und Stiefel, aber eigentlich wäre es ein Tag für Bluse und Rock gewesen. »Also, wie kommst du so zurecht?«
    »Ich habe noch immer die Absicht, zu bleiben, wenn du dich danach erkundigst.« Die typische Abwehrhaltung.
    »Das habe ich angenommen.«
    Er entspannte sich, hustete. Wir überquerten die breite, leere Brücke. Es war noch zu früh für die meisten Leute, um schon auf und unterwegs zu sein, und offenbar waren wir allein im Park. Die sachlichen, eckigen, in Steinsockeln verankerten Lampen der Brücke zogen langsam an uns vorbei, ein krasser Gegensatz zu den geschwungenen Formen der seltsamen Statuen.
    »Ich… ich wollte dir das hier geben.« Linter blieb stehen, wühlte in seiner Jackentasche und brachte etwas zum Vorschein, das wie ein vergoldeter Parker-Füller aussah. Er drehte den Verschluß ab; wo die Schreibfeder hätte sein sollen, war eine graue Röhre, bedeckt mit winzigen farbigen Zeichen, die zu keiner irdischen Sprache gehörten. Ein kleines rotes Warnlicht blinkte träge. Es sah irgendwie bedeutungslos aus. Er schraubte den Verschluß wieder auf das Terminal. »Würdest du es bitte entgegennehmen?« sagte er und blinzelte mich an.
    »Ja, wenn du dir deiner Sache ganz sicher bist.«
    »Ich habe es seit Wochen nicht mehr benutzt.«
    »Wie hast du das Schiff um ein Treffen mit mir gebeten?«
    »Es schickt Drohnen zu mir herunter, die mit mir sprechen sollen. Ich habe ihnen das Terminal angeboten, aber sie wollten es nicht nehmen. Das Schiff will es nicht annehmen. Ich glaube, es scheut die Verantwortung.«
    »Und mir willst du sie aufbürden?«
    »Als eine Art Freundschaftsdienst. Ich wäre dir sehr dankbar, bitte. Bitte, nimm es.«
    »Hör mal, warum behältst du es nicht einfach und benutzt es nicht? Für den Notfall…«
    »Nein, nein; nimm es einfach, bitte.« Linter sah mir einen Moment lang in die Augen. »Es ist lediglich eine Formalität.«
    Ich verspürte das seltsame Verlangen zu lachen, so komisch klangen diese Worte aus seinem Mund. Statt dessen nahm ich ihm das Terminal ab und steckte es in meine Lederjacke. Linter seufzte. Wir gingen weiter.
    Es war ein herrlicher Tag. Der Himmel war wolkenlos, die Luft klar und duftete nach einer Mischung aus Meer und Land. Ich war nicht sicher, ob das Licht des Nordens tatsächlich etwas Besonderes an sich hatte; vielleicht sah es nur deswegen so anders aus, weil man wußte, daß einen nur etwa tausend Kilometer ebenso klarer, noch frischerer und kälterer Luft vom arktischen Meer trennten, von den gewaltigen Eisbergen und den Millionen Quadratkilometern Eis und Schnee. Es war, als befände man sich auf einem anderen Planeten.
    Wir stiegen die Stufen hinauf, wobei es schien, als erforsche Linter jede einzelne. Ich sah mich um und ließ den Anblick und die Geräusche und den Geruch dieses Ortes auf mich einwirken, in der Erinnerung an meine Urlaube, die ich von London aus gemacht hatte. Ich blickte zu dem Mann neben mir hinüber.
    »Weißt du, du siehst aus, als ginge es dir nicht übermäßig wohl.«
    Er begegnete meinen Blick nicht, sondern schien vielmehr irgendein steinernes Gebilde am Ende des Gehsteigs zu betrachten. »Nun… nein, ich schätze, man könnte sagen, ich habe mich verändert.« Er lächelte unsicher. »Ich bin nicht mehr der Mann, der ich einmal war.«
    Etwas an der Art, wie er das aussprach, ließ mich erschaudern. Er betrachtete erneut seine Füße.
    »Hast du vor, hier in Oslo zu bleiben?« fragte ich ihn.
    »Fürs erste ja. Es gefällt mir hier. Es mutet nicht wie eine Hauptstadt an; sauber und dicht, aber…« Er verstummte und schüttelte über irgend etwas den Kopf. »Ich werde jedoch bald weiterziehen, nehme ich an.«
    Wir setzten unseren Weg die Stufen hinauf fort. Einige der Vigoland-Skulpturen bereiteten mir deutliches Unbehagen. Eine Welle von so etwas wie Widerwillen schwappte über mich, ließ mich innerlich erstarren; ich empfand eine Art planetarischen Ekel in dieser nördlichen Stadt. In dieser Welt sprach man jetzt davon, die B1-Bomber zu verschrotten, um mit den Marschflugkörpern weiterzumachen. Was als Neutronenbombe angefangen hatte, war zu Sprengköpfen mit erhöhter Strahlung und verminderter Druckwelle verharmlost worden. Sie alle waren krank, und er ebenso, dachte ich plötzlich. Alle waren angesteckt.
    Nein, das war töricht. Ich war wohl von

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