Ein Geschenk von Tiffany
jetzt hatte er eine andere.
»Gratuliere.« Sie hielt ihm die Karte wieder hin.
»Nein, behalt sie. Vielleicht möchtest du ja kommen …« Er stand auf und schob seine Hände in die Taschen. »Immerhin bist du auch zu sehen.«
»Was?«
»Keine Sorge. Du siehst wunderschön aus. Außerdem wird dich eh keiner erkennen.« Er hatte instinktiv die Hand gehoben, um ihr Haar zu streicheln, nun ließ er sie wieder sinken. Er starrte sie an. »Vielleicht könnten wir nachher was essen gehen. Und reden.«
»Ich hab schon was vor.«
»Was denn? Triffst du dich jetzt mit einem anderen?« Er klang eifersüchtig. Cassies Herz machte einen Hüpfer. »Oder ist es Bas?«
Sie schüttelte den Kopf. »Er ist heute bei der Anprobe für die Isabel-Marant-Schau.«
»Also, mit wem?«
»Mit Claude.«
Seine Lippen wurden schmal.
»Er ist bloß ein Freund«, fügte sie hinzu.
»Ja, na klar.« Er schaute sie grimmig an.
»Doch, das ist er. Ich lerne bei ihm Kochen.«
»Du kannst schon kochen.«
»Nein, ich meine richtig professionell.«
Stille. Das musste er erst mal verdauen.
Sie zuckte mit den Schultern. »Das ist mein Traum.«
»Echt?«
Sie nickte. Er grinste erleichtert. Sie konnte nicht anders, ihr Magen flatterte, wenn sie ihn ansah. Wie hell seine Augen in seinem gebräunten Gesicht aussahen, wie er sie ansah, mit diesem durchdringenden, suchenden Blick. »Gut, dann bring ihn eben mit.«
Sie schwieg einen Moment. Claude war nicht gerade die beste Wahl für so einen Event. »Na gut, ich kann ihn ja mal fragen.«
»Okay.« Er grinste jungenhaft. Ansteckend. Unwiderstehlich.
Sie merkte, wie ihre Augen unwillkürlich zurücklächelten. »Dann geh jetzt.«
»Ich geh ja.«
»Du bist noch da.«
»Bin schon weg …«
30. Kapitel
Cassie riss strahlend die Tür auf. Claude fiel fast der Unterkiefer herunter. Verblüfft starrte er sie an. Normalerweise hatte sie Mehl an der Backe oder Teig an der Schürze. Und ein Haarnetz auf dem Kopf.
Sie stemmte eine Hand in die Hüfte und ließ ein Knie einknicken. »Na, was sagst du?«, fragte sie keck. Sie trug nudefarbene Plateauschuhe, die sie auf fast eins achtzig anhoben – Claudes Größe –, und ein champagnerfarbenes Wollkleid mit einem Carmenausschnitt, der hinten ein tiefes, offenes V bildete, das jede Menge Haut frei ließ. Ihr Haar hatte sie vorne in fette Locken gedreht, die ihr Gesicht wie Korkenzieher einrahmten, die großzügigen Lippen knallrot geschminkt.
»Mon Dieu« , hauchte er.
Cassie strahlte.
»Dann gefällt’s dir also?«
»Du wirst erfrieren«, knurrte er. »Und wie willst du damit rumlaufen?« Er deutete auf ihre Schuhe.
»Puh.« Sie hätte es besser wissen sollen, als von Claude ein irgendwie geartetes Kompliment zu erwarten. Ihre SMS, in der sie ihn gefragt hatte, ob er mit ihr vor der Kochstunde noch auf eine Fotoausstellung gehen wolle, hatte offensichtlich wenig Begeisterung ausgelöst. Er trug eine dreckige Jeans und einen dunkelbraunen Parka, dessen Kapuze er aufgesetzt hatte. Sein Gesicht sah heute besonders borstig aus, als hätte er mit einer Steroidspritze nachgeholfen und die üblichen Stoppeln innerhalb eines Nachmittags zu einem Vollbartgebüsch anwachsen lassen, um sich dahinter verstecken zu können.
Sie nahm ihren Mantel vom Haken.
»Vielen Dank, dass du mitkommen willst.« Von Wollen konnte keine Rede sein. Tatsächlich hatte er auf ihre SMS überhaupt nicht geantwortet, und sie hatte sich mit schier religiöser Überzeugung eingebildet, dass dies ein Ja bedeutete. In eine Fotoausstellung zu gehen war wahrscheinlich das Letzte, worauf er Lust hatte. Wenn’s eine Trüffel-Messe gewesen wäre …
Die Kälte traf sie wie ein Schlag, als sie auf den Hof hinaustraten. Sie fröstelte. Er hatte mit beiden Befürchtungen recht: Sie fror, und sie konnte das Kopfsteinpflaster unmöglich in diesen Schuhen überqueren.
»Claude, könntest du?« Sie deutete auf seinen Arm.
Er brauchte einen Moment, bis er begriff. Er hatte die Pranken tief in seinen Jackentaschen vergraben. Anstatt sie nun rauszunehmen, schwenkte er lediglich den Ellbogen raus wie ein Kranarm. Dankbar hängte sie sich bei ihm ein.
Sie lächelte. »Nett von dir.«
Im Schneckentempo krochen sie über die Pont Saint-Louis hinüber auf die Île de la Cité, wo sich leichter ein Taxi bekommen ließ. Sie redeten nicht. Cassie konnte zur Abwechslung gar nicht. Sie hatte fürchterliche Schmetterlinge im Bauch. Bas, der kurz nach Lukes Verschwinden aufgetaucht war, hatte das
Weitere Kostenlose Bücher