Ein Gespür für Mord - Detective Daryl Simmons 1. Fall
konnte, bezweifelte Daryl allerdings. Sie hatte andere Probleme. Und langsam ahnte er auch, welche.
Als Bruce Pierson zu ihm herüberkam, um ihm zu seinem dritten Platz zu gratulieren, warf Daryl einen unauffälligen Blick auf dessen Schuhe. Sie hatten Größe zweiundvierzig. Kaum dass Bruce ihn wieder verlassen hatte, bückte er sich, zog einen Schuh aus und schüttelte ihn, als hätte er einen Kieselstein darin. Unauffällig überprüfte er Bruce’ Schuhabdrücke. Der Außenrist des linken Schuhs war ziemlich abgenutzt …
7
Am Abend kehrte Daryl mit Martin Barrow, Meena, Ray Hill und zwei Stockmen zur Station zurück. Daryl fuhr in Barrows Wagen mit, die anderen saßen im verbeulten Landrover. Gelegentlich warf der Rinderzüchter einen Blick zu ihm hinüber, doch Daryl war in Gedanken versunken.
Kurz bevor sie die Farmgebäude erreichten, brach Barrow das Schweigen. »Während der ganzen Fahrt haben Sie keinen Ton gesagt und nur vor sich hin gestarrt. Verdammt, Simmons, Sie machen mich neugierig.«
Daryl blinzelte. »Tut mir leid«, meinte er und lächelte entschuldigend. »Ich wollte Sie nicht ausschließen.«
»Ehrlich gesagt, genau den Eindruck habe ich aber. Während des Rodeos sind Sie mir aus dem Weg gegangen.«
»Da haben Sie recht. Ich suchte bewusst den Kontakt zu den Männern. Sehen Sie, es ist wichtig, dass die Männer mir trauen und mich akzeptieren. Wenn sie mich bei allem, was ich tue, beobachten und sich fragen, was ich im Schilde führen könnte, macht das meine Arbeit doppelt schwierig.«
»Verstehe. Daher also die Rodeoeinlage.«
Daryl nickte. »Sie können mir glauben, auf so schmerzliche Art habe ich noch nie das Vertrauen von jemandem gewonnen.«
Barrow lachte. »Kann ich mir vorstellen. Glauben Sie, dass Ricky Lees Verschwinden etwas zu bedeuten hat?«
»Ganz bestimmt sogar. Der Junge weiß etwas, und er hat Angst, man könnte ihm das anmerken. Deshalb ist er getürmt.«
»Dann sollten wir ihn suchen.«
Daryl schüttelte den Kopf. »Das bringt nichts. Glauben Sie mir, den finden Sie nicht mehr. Und selbst wenn … er wird sich lieber die Zunge abbeißen, als uns etwas zu verraten. Ich glaube auch nicht, dass wir ihn brauchen, um den Fall zu lösen.«
»Wie geht’s jetzt weiter?«
»Mit jeder Menge Arbeit«, meinte Daryl schlicht.
»Sie haben also eine Spur?«
»Nennen wir es ein paar Vermutungen. Aber das meinte ich nicht. Ab morgen gilt es, eine Menge Rinder einzufangen. Das nenne ich Arbeit.«
Barrow starrte Daryl so lange verblüfft an, bis der Landcruiser beinahe vom Weg abkam. Als der Viehzüchter den Wagen wieder unter Kontrolle hatte, schüttelte der den Kopf. »Ein Polizist wie Sie ist mir noch nie untergekommen.«
Daryl verzog den Mund zu einem breiten Lächeln. »Das höre ich von meinem Chief auch immer …«
Es war der erste Tag des Viehauftriebs.
Daryl war am Abend zuvor in der sicheren Überzeugung auf sein Bett gesunken, am nächsten Morgen nur unter Qualen und mit fremder Hilfe wieder herauszukommen. So schlimm war es aber zum Glück nicht. Zwar kostete es ihn einige Mühe, aufzustehen – seine Hüfte schmerzte höllisch, war geschwollen und blutunterlaufen –, sonst aber fühlte er sich recht gut. Offenbar hatte ihn der Polizeidienst in Perth doch nicht so verweichlicht wie befürchtet.
Nach einer erfrischenden Dusche ging er in den Aufenthaltsraum, wo Meena bereits das Frühstück vorbereitete.
Als sie ihn bemerkte, nickte sie ihm freundlich zu. »Sie sind früh auf. Essen gibt’s erst in einer halben Stunde.«
»Eine Tasse Tee würde für den Anfang reichen. Haben Sie schon welchen gemacht?«
Meena nickte, schenkte ein und reichte ihm den Becher. »Danke«, sagte sie leise.
»Wofür?«
Sie senkte den Blick und biss sich auf die Unterlippe. »Sie wissen schon, weil Sie neulich vor Mrs. Sharp nicht weiter über meinen kleinen Schwächeanfall gesprochen haben. Sie macht sich immer gleich Sorgen um mich, meint, ich sei zu zierlich für diese Arbeit. Aber das bin ich nicht.«
»Glaub ich auch nicht. Muss ja nicht jede gute Köchin unbedingt den Körperbau von Mrs. Sharp haben.«
Daryl setzte sich und sah dem Mischlingsmädchen bei ihren Vorbereitungen zu. Sie trug ein weites, blaues Baumwollkleid mit langen Ärmeln, das ihm für diese Jahreszeit viel zu warm schien. Die Haare hatte sie hochgesteckt, wodurch ihr langer, schlanker Hals besonders gut zur Geltung kam.
»Fahren Sie heute zurück ins Basiscamp?«, wollte Daryl
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