Ein Grabstein fuer den Playboy
Begriff Müdigkeit zu definieren. Sie fanden chemische
Komponenten oder fundamentale Konditionen, die die Müdigkeit
verursachen. Aber das war müßige Arbeit. Es gelang ihnen nicht
einmal, den Begriff zu definieren. Sie stellten lediglich fest, daß
der Mensch, der müde ist, sich zuvor sehr gelangweilt haben muß.
Und gegen Langeweile gibt es kein Mittel.
Ich ruhte aus und bewachte
Albert Connahs Glaslager.
Und zum ersten Mal in meinem
Leben machte ich mir Vorwürfe wegen meines Lebensstils. Weniger wegen
der immer noch schwierigen finanziellen Situation, in der ich mich befand,
sondern wegen der unerträglichen Häßlichkeit des Lebens,
die mir bei meinem Job vor Augen geführt wurde.
Nicht, daß ich etwas
tun konnte gegen das Häßliche, das überall in der Welt
lauerte. Aber ich wollte keinen Anteil daran haben -nicht einmal als mehr
oder weniger beteiligter Zeuge.
Ich kaufte mir Pinsel, Farben
und Leinwand.
Und bewachte das Glas.
Aber nach und nach wurde ich
dann doch wieder hineingezogen in diese Welt.
Zunächst kam der Prozeß
gegen Hogue. Der Anwalt machte es seinem Richter so leicht wie möglich
und hörte ausdruckslos zu, wie man ihn zu lebenslänglicher Haft
verurteilte.
Inzwischen war es ihm recht,
daß sein Herz wider Erwarten alle Belastungen durchgestanden hatte,
denn er beabsichtigte, eine Stiftung zu gründen, um genug Geld
zusammenzubringen und Ida Boyds Landbesitz dem Brown County Trust übergeben
zu können.
Ich weiß das, weil er
mir einen Brief schickte und einen Scheck für meine Dienste zugunsten
von Frank Pynne. Er schrieb darin, daß er versuchte, diese Stiftung
vom Gefängnis aus ins Leben zu rufen, und daß er seinen eigenen
Besitz verkauft hätte, um ihn der Stiftung einzubringen. Außerdem
schlug er mir vor, mein Honorar zu stiften - »dem edlen Zweck, das
Land unverändert den Nachkommen zu überliefern«, wie es wörtlich
in dem Brief hieß.
Ich löste meinen Scheck
noch am selben Tag ein.
Wenn man müde ist, fühlt
man keine edlen Regungen, vermute ich.
Das zweite Ereignis, das mich
zurückbrachte in diese Welt, war ein Besuch von Glas-Albert.
Es war Dezember, und draußen
schneite es bereits. Ich nahm mit Recht an, daß er diesmal nicht
vorbeigekommen war, um im Hof Basketball zu spielen.
»Ich brauche für
ein paar Tage Ihre Dienste, wie abgemacht«, sagte er.
Diesmal stand ich an der
Staffelei.
»Ach, ja? Hat sich
endlich jemand entschlossen, Ihre Tochter zu heiraten?«
»Nicht ganz.«
Ich steckte mir den Pinsel
hinters: rechte Ohr. »Was dann?«
»Es geht um meine Frau«,
sagte er.
»Hat sich jemand
entschlossen, Ihre Frau zu heiraten?«
»Sie ist abgemagert in
der letzten Zeit«, sagte er. »Es ist nichts Krankhaftes - ich
habe mit ihrem Arzt gesprochen -, und sie hält auch keine Diät
ein, weil das bei ihr doch nichts nützt. Also möchte ich, daß
Sie sie eine Weile beobachten.«
»Sie sind wirklich ein
argwöhnischer Mensch.«
»Wissen Sie, ich habe
festgestellt, daß ich mir in diesem Zusammenhang Fragen stelle. Und
wenn man sich seine eigenen Fragen nicht beantworten kann - was hilft
es einem dann, daß man reich ist?«
»Eine Frage, die ich
mir auch oft stelle«, sagte ich.
»Wann können Sie
anfangen?«
»Sobald ich mit diesem
Bild fertig bin.«
Er ging zur Staffelei und
betrachtete mein Werk.
Es war das erste Mal, daß
er in meiner Gegenwart sprachlos wurde.
Und während ich darauf
wartete, daß er wieder Worte fand, überkam mich eine Neugier
wie schon lange nicht mehr.
Ich mußte an Priscilla
Pynne denken. Wie sie Gewicht zugelegt und wieder abgenommen hatte. Jetzt
fragte ich mich, was aus ihr wohl werden würde. Sicher würde sie
erfolgreich sein mit ihrem, Studium. Sie wünschte es sich so sehr, daß
sie durchaus fähig sein würde, alle Schwierigkeiten zu überwinden.
Ich entschloß mich, sie
zu besuchen und selbst nachzusehen.
Neugier ist die einzige
Medizin gegen Müdigkeit.
»Ihre Frau nimmt ab,
wie?« fragte ich und gab Glas-Albert die Chance, sich der Langeweile
bei der Betrachtung der Ergebnisse meines unentdeckten primitiven Genies
zu entziehen.
Vielleicht war ich wirklich
unentdeckt und primitiv. Aber ich war zumindest bereit, mich damit
abzufinden. Und das ist nicht das Schlechteste, was einem das Leben bieten
kann.
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