Ein Grausames Versprechen
in einiger Entfernung auf dem Gehsteig, ein uniformierter Beamter hielt sie getrennt und unterband Gespräche zwischen ihnen. Ella erwartete nicht viel von ihren Aussagen. Wenn jemand in der Straße zu Boden stürzt, blickt man erst einmal zu dieser Person, nicht auf jemanden, der unauffällig weitergeht.
»Ich die Männer, du die Frauen?«, sagte Murray und steuerte bereits auf die von ihm gewählten Opfer zu.
Ella führte die beiden Frauen vor die gut erleuchteten Schaufenster, damit sie ihre Gesichter sehen konnte. Sie erwartete zwar wirklich nicht viel von ihnen, aber man konnte nie wissen. Auch wenn es etwas bedeutete, dass diese Leute gewartet hatten, um den Polizeibeamten zu erzählen, was sie gesehen hatten, ließ die Begeisterung von Zeugen nach Ellas Erfahrung mit der Zeit häufig nach, wenn sie anfingen, die Auswirkungen ihres Handelns zu bedenken. Einen Mann, der einen anderen auf offener Straße so kaltblütig niedersticht, wollten sie nicht zum Feind haben, und oft begannen sie dann, »vergesslich« zu werden. Gleichzeitig waren gewöhnliche Menschen keine guten Lügner. Man sah es ihnen an, und mit ein wenig sanftem Druck förderte man schließlich doch alle Einzelheiten zutage.
Sie beschloss, mit der älteren Frau anzufangen und bat die jüngere, eine traurig dreinblickende Mittfünfzigerin mit brauner Hochfrisur, zu bleiben, wo sie war, während sie sich mit der anderen Zeugin einige Schritte entfernte.
Sie lächelte die Frau an, die sie auf über siebzig schätzte, mit ihrer Brille, dem grauen Tweedkostüm und dem zu einem straffen Knoten gebundenen grauen Haar. »Danke, dass Sie gewartet haben. Ich bin Detective Ella Marconi.«
»Ich habe Fisch da drin.« Die Frau hob eine grüne Stoffeinkaufstasche hoch. »Ist nicht gut, wenn er zu lange ungekühlt bleibt.«
»Ich mache, so schnell es geht.« Ella schlug ihr Notizbuch auf. »Was haben Sie heute Abend hier gesehen?«
»Ich war bei meiner Freundin und habe auf dem Heimweg noch in einem Laden vorbeigeschaut, um Fisch für das morgige Abendessen zu kaufen. Wieder auf der Straße, bin ich langsam so dahingegangen, als ich ein merkwürdiges Geräusch hörte.«
»Ein Geräusch wie …?«
»Wie wenn jemand in eine andere Person rennt, und dieser bleibt die Luft weg. So ein ›Uff‹.«
»Verstehe«, sagte Ella.
»Ich habe mich umgedreht und den Mann auf die Knie sinken sehen, dann auf die Hände. Ein Passant wäre fast auf ihn getreten, weil er so schnell zu Boden ging«, sagte die Frau. »Die Leute sind einfach weitergegangen, können Sie sich das vorstellen?«
»Ja.«
»Ich habe ihn gefragt, ob alles in Ordnung sei, und er hat etwas gemurmelt, was ich nicht verstand. Dann sagte jemand, da sei Blut, und man solle einen Notarzt rufen.«
»Haben Sie gesehen, wer in ihn gerannt ist?«, fragte Ella.
Die alte Dame schüttelte den Kopf. »Ich habe ihn nur fallen sehen. Er war hinter mir. Ich habe mich umgedreht, als ich das komische Geräusch hörte.«
»Sie haben niemanden bemerkt, der sich eilig entfernt hat?«
»Da waren eine Menge Leute«, antwortete sie. »Und alle haben es immer eilig.«
Genau, wie ich dachte. Ella steckte ihren Kugelschreiber weg und zückte ihre Karte. »Danke, dass Sie sich die Zeit genommen haben. Möglicherweise melden wir uns noch einmal, aber bitte rufen Sie mich in der Zwischenzeit an, falls Ihnen noch etwas einfällt.«
Die Frau nahm die Karte. »Wie geht es dem Mann?«
»Er ist leider verstorben.«
Die alte Dame zog die Stirn kraus. »Diese Stadt.«
Als sich Ella der Zeugin mit der Hochfrisur näherte, stellte sie fest, dass die Frau mit den Tränen kämpfte. Sie zupfte an einem losen Faden ihres Handtaschenriemens. »Es war schrecklich.«
»Lassen Sie sich Zeit.«
Die Frau holte tief Luft und deutete die Straße entlang. »Ich kam hier entlang, ein bisschen in Eile, weil ich nach Hause kommen wollte. Dann gab es plötzlich dieses kleine Gerangel vor mir.« Sie schaute mit zusammengekniffenen Augen auf den Gehweg, um die Erinnerung heraufzubeschwören. »Zwei Männer waren für einen kurzen Moment nahe beieinander, als wären sie zusammengestoßen, dann ging der eine weiter, und einen Sekundenbruchteil später stürzte der andere zu Boden.«
»Was haben Sie daraufhin gemacht?«
»Als ich näher kam, sah ich, dass der Mann auf dem Boden die Hände auf die Brust presste. Ich dachte, er hat vielleicht eine Herzattacke erlitten, als er umgerempelt wurde, verstehen Sie? Aber dann sah ich das Blut, und ich
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