Ein Grausames Versprechen
›Feuer‹, so laut sie konnte«, sagte Sascha.
»Wieso Feuer?«, fragte Murray.
»Damit erreicht man schneller Aufmerksamkeit«, erklärte Ella. »Wenn du ›Hilfe‹ schreist, sind die Leute nervös, sie haben Angst, in eine gefährliche Situation verwickelt zu werden. Schreist du ›Feuer‹, fühlt sich niemand direkt bedroht. Außerdem sind Feuer interessant, die Leute kommen angerannt.«
»Und genau das hat ihr Nachbar getan«, fuhr Sascha fort. »Er versuchte, die Tür mit einem Feuerlöscher einzuschlagen. Schließlich verletzte Lauren den Angreifer so schwer, dass er das Messer fallen ließ und davonlief.« Sie zeigte zum Fenster. »Er ist da hinaus, dann über die Markise und den Baum hinunter. Zu seinem Glück war Laurens Nachbar in der Zwischenzeit im Haus und hat ihn nicht gesehen. Wir haben allerdings eine Blutspur von seiner Kopfverletzung, sie führt die Straße hinauf, zu einer Stelle, wo er vermutlich einen Wagen abgestellt hatte. Wir lassen gerade die Nachbarschaft nach Zeugen abklappern.«
»Hat sie gesagt, wer es war?«, fragte Ella.
Sascha nickte. »Es war euer Thomas Werner. Und sie hat euch noch ein paar Dinge zu sagen.«
»Was denn?«, fragte Murray.
»Das wollte sie nicht verraten.«
13
Ella und Murray gingen nach nebenan. Die Frau, die auf ihr Klopfen öffnete, war Mitte zwanzig und hatte langes schwarzes Haar, das zu einem Knoten zusammengebunden und mit einer silbernen Nadel festgesteckt war. Sie streckte ihnen eine schlanke, zitternde Hand entgegen und stellte sich als Tamsyn Saleeba vor. »Es war mein Mann Ziyad, der Lauren schreien hörte.«
»Er hat ihr sehr geholfen«, sagte Ella.
»Es ist schwer zu fassen, dass so etwas passiert«, sagte Tamsyn. »Ich glaube, wir haben es alle noch immer nicht richtig verdaut.«
»Sind alle jetzt hier?«
»Ziyad beschäftigt die Kinder draußen im Garten. Lauren und Kristi sind im Wohnzimmer.« Sie führte sie zur Wohnzimmertür. »Darf ich Ihnen etwas anbieten? Tee? Kaffee?«
»Nein, danke.«
Im Wohnzimmer verharrte Lauren stocksteif auf der Sofakante und hatte den Blick auf die gegenüberliegende Wand gerichtet. Kristi saß neben ihr und faltete ein feucht aussehendes Taschentuch auseinander, um es anschließend wieder zu zerknüllen. Sie blickte zu den Detectives auf, Lauren dagegen nicht.
»Lauren«, sagte Ella freundlich. »Wie geht es Ihnen?«
Lauren blinzelte und sah sie an. »Gut«, sagte sie. »Alles in Ordnung.«
Ella setzte sich in einen Lehnstuhl im rechten Winkel zum Sofa, während sich Murray einen Stuhl von der Essecke am anderen Ende des Raums holte. Direkt gegenüber von Ella ging eine Terrassentür auf den Garten hinaus, wo eine karierte Geschirrtuch-Flagge über einer windschiefen, kleinen Hütte flatterte. Ein hochgewachsener Mann mit dunklem Haar saß unsicher auf einem winzigen Plastikstuhl, mit ihm ein untersetzter braunhaariger Junge in Schuluniform und ein kleines, blondes Mädchen. Das Mädchen nippte an einer Spielzeugteetasse, und der Junge goss imaginären Tee aus einer Kanne in die Tasse, die der Mann zwischen Daumen und Zeigefinger hielt. Tamsyn Saleeba überquerte die Rasenfläche und streichelte den Kindern über den Kopf.
»Es tut mir leid, dass das passiert ist«, sagte Ella. »Fühlen Sie sich schon wieder in der Lage, darüber zu sprechen?«
Lauren nickte. »Wir müssen ihn kriegen.«
»Mit ›ihn‹ meinen Sie …«
»Thomas Werner.«
Murray holte das Foto hervor, das sie am Flughafen bekommen hatten. »Ist er das?«
Lauren und Kristi betrachteten das Bild und nickten beide.
»Können Sie uns zuerst schildern, was heute passiert ist?«, fragte Ella.
Lauren erzählte die Geschichte, die Sascha bereits umrissen hatte, fügte aber noch an, wie der Krug Werners Kopf nur gestreift und ihren eigenen getroffen hatte, woher die Schwellung und der blaue Fleck auf ihrer Stirn stammten, und wie sie sich den Kopf am Stuhl angeschlagen hatte. »Wenn ich nicht ausgerutscht wäre, hätte ich vielleicht besser getroffen, als ich den Krug nach ihm warf. Vielleicht hätte ich ihn aufhalten können.«
Kristi schüttelte den Kopf.
»Welche Verletzungen haben Sie noch erlitten?«, fragte Ella weiter.
Lauren hob das Haar, um ihr die Schwellung an der Schläfe zu zeigen, dann stand sie auf, drehte sich um und zog ihr T-Shirt hoch. Ein Verband lief schräg über ihre Lendengegend und rechte Hüfte, festgehalten von einer breiten Bandage rund um den Leib. »Es ist nicht einmal tief genug, dass es
Weitere Kostenlose Bücher