Ein Grausames Versprechen
Brieftasche. »Mit Bargeld? Ich …«
»Kauf sie einfach, verdammt noch mal.«
Sal hätte gern gesagt, dass sie das halb fertige Ice wegschmeißen sollten, ihre Verluste einfach abschreiben, ehe sie erwischt und eingesperrt wurden. Sein Onkel Paulo war im Gefängnis gewesen und hatte ihm erzählt, wie es da drin zuging. Sein Mund wurde trocken, wenn er daran dachte. Aber Thomas würde nie aufgeben. Das Geld bedeutete ihm zu viel.
»Wie lange dauert es noch, bis wir fertig sind?«
»Es würde sehr viel schneller gehen, wenn ich Heizlüfter hätte und nicht gestört würde.«
Sal verließ den Raum und hörte, wie die Riegel hinter ihm vorgeschoben wurden. Grant oder Gary betrachteten ihn über irgendein Plastikding hinweg, das er gerade schnitt, und Sal versuchte, ihn herausfordernd anzusehen, musste den Blick aber abwenden. Die Jungs waren ein weiteres Problem. Thomas sagte, sie bekamen Geld für nichts, warum sollten sie also jemandem etwas verraten? Aber Sal vertraute weder darauf noch auf die alte Freundschaft zwischen Onkel Paulo und Colin Preston, die ihnen Sicherheit versprach, wie Julio meinte. Er wünschte sich die alten Zeiten zurück, vor nicht einmal einem Jahr, ehe Paulo gestorben war und Julio seine Diagnose bekam und die beiden den Laden schmissen, während Thomas in Übersee seinen eigenen Kram machte, die Zeiten, in denen Sal als Julios Helfer arbeitete und einfach so mitlief.
Er zögerte am Haupttor, blinzelte im hellen Sonnenlicht und hielt nach Polizisten Ausschau, die tief in den Sitzen geparkter Autos lauerten und hinter Zeitungen in Eingängen herumlungerten. In Momenten wie diesem, wenn er wirklich Angst hatte, wünschte er sich in die Zeit zurück, als noch nichts von alldem angefangen hatte und seine Mum noch lebte.
16
Ella und Murray hatten beinahe den ganzen Weg zum Rosie’s zurückgelegt, dem Club in der City, wo Jules Cartwright Thomas Werner zuletzt gesehen hatte, als Ellas Handy läutete.
»Ich habe etwas anderes für euch«, sagte Kuiper. »Gerade hat eine Frau angerufen, die sagt, sie kennt Kennedy und hat das Gefühl, sie sollte mit jemandem reden.«
Ella verzog das Gesicht. »Was soll das denn heißen?«
»Weiß ich nicht, aber ihre Adresse ist in der Nähe des Steyne Parks, und im Hintergrund habe ich einen Hund bellen hören.«
Der Lift glitt geräuschlos nach oben, und der Flur wurde von der Nachmittagssonne erhellt. Filigrane, silberne Ziffern zeigten Nummer 11 an. Ella benutzte den silbernen Klopfer in Form eines Vogels, der an Holz pickt, und zur Antwort ertönte aus der Wohnung wütendes Gekläff. Dann hörte man eine Frauenstimme, der Tonfall des Bellens änderte sich, und die Tür ging auf. Eine hochgewachsene Frau in den Fünfzigern drückte den kläffenden Hund mit einer Hand an die Brust. Ihre Augen waren gerötet.
»Guten Tag.« Ella zeigte ihren Ausweis. »Detectives Marconi und Shakespeare. Sind Sie Helen Flinders?«
»Ja.« Sie machte die Tür weit auf. »Bitte kommen Sie herein.«
Flinders war etwa einen Meter achtzig groß, barfuß, mit gebräunten Füßen. Ihr braunes Haar war kurz geschnitten und von Grau durchsetzt. Sie trug Khaki-Shorts und eine rosafarbene Bluse mit Kragen, und um ihren Hals hing ein winziger silberner Schmetterling an einer schwarzen Seidenschnur. Ella kam sich klein, pummelig und regelrecht unelegant neben ihr vor.
Das Wohnzimmer war hell und sonnig, mit grünen Sofas vor den Fenstern, die auf das glitzernde Wasser hinausgingen, und einem großen Schreibtisch aus Holz, der eine Wand einnahm. Ella sah eine Ansammlung von feinen Werkzeugen, Rollen von Silberdraht und fünf silberne Schmetterlinge in einer Reihe, jeder geringfügig anders als seine Nachbarn, aber auch ähnlich wie sie und wie der Schmetterling, den Ella auf Kennedys Sideboard zwischen den Blumen gesehen hatte. Sie bemerkte, dass Murray ebenfalls darauf schaute.
»Meine kleine Heimwerkstatt«, sagte Helen Flinders. »Setzen Sie sich, bitte. Darf ich Ihnen etwas anbieten? Kaffee, Tee, Wasser?«
»Nein, vielen Dank.«
Ella nahm auf einem der Sofas Platz, und Helen setzte sich gegenüber von ihr. Sie behielt den Hund auf ihrem Schoß. Er schnupperte in die Luft und beobachtete Murray, der stehen blieb.
»Sie haben angerufen«, begann Ella, »weil Sie James Kennedy kannten und mit jemandem sprechen wollten, ist das richtig Mrs. Flinders - ist ›Mrs.‹ korrekt?«
»Ja. Mein Mann ist vor drei Jahren gestorben.« Sie klopfte sich auf die Brust.
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