Ein Grausames Versprechen
tatsächlich beinahe erwischt.
»Hat sie noch etwas von der Beschwerde wegen dieser Zuggeschichte gesagt?«
»Nö, das wird sie schon vergessen haben.«
Lauren war sich nicht so sicher. »Wenn sie die einreicht, könnte es der Tropfen sein, der das Fass zum Überlaufen bringt.«
»Wie meinst du das?«
»Ich habe neulich im Organisationshandbuch nachgesehen«, sagte sie. »Wenn ich in dieser Blake-Sache wegen Meineids angeklagt werde, können sie mich feuern. Der einzige Grund, warum sie es möglicherweise nicht tun werden, sind meine guten Leistungen im Job. Aber wenn Claire sich wegen des Schlauchs beschwert, kann ich das auch vergessen.«
Joe schüttelte den Kopf. »Sie hat kein Wort davon gesagt. Ich vermute, sie hat es komplett vergessen. Wahrscheinlich hat sie am Ende ihrer Schicht damals schon nicht mehr daran gedacht.«
Aber es könnte ihr wieder einfallen, wenn sie eifersüchtig genug ist, dachte Lauren, und nach einem Werkzeug der Rache Ausschau hält.
17
Murray nahm eine Hand vom Lenkrad und fummelte am Autoradio herum, und bald ertönte die laute Stimme des Family Man aus den Lautsprechern.
Ella hob ihre Stimme über den Lärm. »Was gefällt dir eigentlich so an dem?«
»Er ist interessant.«
»Die Zahl der Morde steigt, die Zahl der Körperverletzungen steigt, der Verbrechen mit Schusswaffen - wo leben wir denn, in den Vereinigten Staaten? Was wir brauchen, ist hartes Durchgreifen, aber was bekommen wir von der Regierung?«
»Von ihm bekomme ich Kopfweh«, sagte Ella.
»Wir bekommen frisierte Statistiken, Langzeitprognosen, geplante Ergebnisse und Zielszenarien. Nehmen wir die Drogenamnestie. Die Regierung behauptet, es sei noch zu früh, um sagen zu können, ob sie wirkt, es seien noch keine Zahlen verfügbar. Ich sage, werfen Sie einen Blick auf die Statistiken über Gewaltverbrechen. Ist da irgendwas gesunken?«
»Du magst ihn, weil er auch gegen die Amnestie ist«, sagte Ella.
»Was?«
Sie stellte das Radio leiser und wiederholte es.
»Wart nur ab«, sagte Murray. »Nach der nächsten Wahl wird sie über Bord geworfen.«
Ella schnaubte. »Nach jeder Wahl wird alles über Bord geworfen.«
»Und was denkst du, wird man dann feststellen?«
»Vielleicht, dass es funktioniert hätte, wenn die Leute dahintergestanden hätten, wenn man der Sache Zeit gegeben hätte.«
Murray schüttelte den Kopf. »Das ist wie die Geschichte mit den kaputten Fenstern in den Staaten.«
»Was soll das denn sein?«
»In den Achtzigern haben sie in New York festgestellt, dass die Zahl der Gewalttaten rapide sinkt, wenn man all die kleinen Dinge behebt, die die Leute stören, wie Graffiti, kaputte Fenster und öffentliche Ruhestörung, weil sich die ganze Atmosphäre dadurch völlig ändert. Hier ist es das Gleiche: Wenn wir sagen, wir akzeptieren den Kleindealer und vergeben ihm, schaffen wir eine Atmosphäre, in der Kriminelle das Gefühl haben, sie können sich alles erlauben.«
»Aber wir akzeptieren sie nicht und vergeben ihnen nicht«, sagte Ella. »Wir bestrafen sie weniger hart, sicher, aber sie müssen uns dafür Namen und Adressen liefern. Sie zahlen auf diese Weise ihre Schuld an die Gesellschaft zurück.«
»Es schafft aber trotzdem diese Atmosphäre, und die ist das Problem.«
»Und es soll das Äquivalent dazu sein, die Fenster kaputt zu lassen, wenn wir die Kleinganoven nicht mehr einsperren? Mit der Amnestie fangen wir wenigstens an, sie notdürftig zu flicken.«
Er murmelte etwas.
»Das habe ich jetzt nicht verstanden«, sagte sie spitz.
»Mein Dad sagte, du würdest diesen Standpunkt einnehmen.«
»Ach, ja?« Der gute alte Frank Shakespeare. Sie bezweifelte, dass er viel Schmeichelhaftes über sie zu sagen hatte. Und das nur, weil sie ihn damals vor vielen Jahren an diesem Tatort nicht erkannt und für einen neugierigen Zivilisten gehalten hatte, den sie anherrschte, er solle sich verpissen, sonst würde sie ihn verhaften. Würde er denn nie darüber hinwegkommen?
»Er sagte, Leute, die für die Amnestie sind, seien zielorientiert …«
»Woran nichts falsch ist.«
»… und zwar in übertriebener Weise«, fuhr Murray fort. »Solche Leute glaubten, dass das Endergebnis die Mittel rechtfertige, aber in der Polizeiarbeit hänge sehr viel von gesunden Mitteln ab.«
»Sprecht ihr beim Essen oft über mich?«
»Die Mittel sind die Art und Weise, wie wir als Polizei unsere Beziehung zur Gesellschaft einrichten und aufrechterhalten. Sie müssen konstant sein, damit die Leute
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