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Ein guter Jahrgang-iO

Ein guter Jahrgang-iO

Titel: Ein guter Jahrgang-iO Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Mayle
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diente dem handverlesenen Zirkel die Meinung an, dass der Wein zweifellos mehr Tang als Ming sei. Der Franzose nickte nur und lächelte in einem fort, machte seinen Gästen Komplimente über die Feinheit ihres Gaumens und die Treffsicherheit ihrer Kommentare.
    Als das Gurgeln und Spucken zu verklingen schien, gab er Mademoiselle de Salis verstohlen ein Zeichen.
    Diese legte prompt ihre Servietten beiseite, um ein überdimensionales Notizbuch aus schwarzem Krokodilleder und einen Montblanc-Füllfederhalter zu ergreifen, wie sie zur Ratifizierung internationaler Abkommen benutzt werden; damit ausgerüstet begann sie, die Runde zu machen. Wie ein perfekt abgerichteter Hirtenhund trennte sie die einzelnen Einkäufer von der Herde, einen nach dem anderen, entführte sie abwechselnd vom Tisch, so dass sie abseits von der Gruppe ihre Bestellungen aufgeben konnten.
    Das Zuschrauben des Füllfederhalters und das Zuklappen des Notizbuches war für den Franzosen das Signal zum Aufbruch. Nach großzügig bemessenem Schulterklopfen und Armdrücken komplimentierte er die Herde aus dem Raum und den Korridor entlang, bevor er in der Eingangshalle eine Abschiedsrede hielt.
    »Ich darf Sie zu Ihren Entscheidungen beglückwünschen«, sagte er. »Entscheidungen, die Sie nicht bereuen werden. Ihre Bestellungen werden umgehend versandt.« Er hob die Hand und tippte an seine Nase. »Gestatten Sie mir, Ihnen einen kleinen Rat mit auf den Weg zu geben. Erstens, beschränken Sie den Zugang zu diesem Wein auf Ihre langjährigen Klienten, die Ihr volles Vertrauen genießen und es vorziehen, über ihre Trinkgewohnheiten zu schweigen. Publicity würde unweigerlich die enge Beziehung zerstören, die wir aufgebaut haben. Und zweitens würde ich vorschlagen, dass Sie ein paar Kisten zurückbehalten, als eiserne Reserve.« Er sah seine Partner mit einem Lächeln an, das künftigen Wohlstand verhieß. »Preise haben die Gewohnheit zu steigen.« Mit dieser beruhigenden Schlussbemerkung und nachdem das Ritual des Verbeugens und Händeschüttelns zu einem befriedigenden Abschluss gebracht worden war, fädelte sich die Gruppe durch die Eingangstür und trat auf die Straße hinaus in das helle Sonnenlicht.
    Der Franzose eilte in den Verkostungsraum zurück, wo er Mademoiselle de Salis am Tisch sitzend vorfand, ihr blondes Haupt über Notizbuch und Taschenrechner gebeugt. Er trat hinter sie und begann, ihr die Schultern zu massieren. » Alors, chouchou ? Hast du schon Bilanz gezogen?«
    »Chen hat sechs Kisten geordert, Shimizu ein Dutzend, Deng vier, Ikumio acht, Watanabe und Yun Fat...«
    »Insgesamt?«
    Mademoiselle de Salis versetzte dem Taschenrechner mit ihrem scharlachrot lackierten Fingernagel den finalen Stoß. »Alles in allem einundvierzig Kisten. Etwas mehr als eineinhalb Millionen Dollar.«
    Der Franzose blickte lächelnd auf seine Uhr. »Nicht schlecht für einen halben Tag Arbeit. Ich denke, wir haben uns das Mittagessen verdient.«

 
ZEHN
     
    An diesem sonnigen Morgen hatte Madame Passepartout beschlossen, das Wohnzimmer in Angriff zu nehmen, vor allem die Spinnweben, die wie eine Girlande das hohe Deckengewölbe zierten. Ihre Höhenangst schloss den Gebrauch einer Trittleiter aus, daher hatte sie ihr Putzarsenal durch einen neuen, technologisch verbesserten Staubwedel mit Teleskopstange aufgerüstet. Sie handhabte ihn wie eine mittelalterliche Lanze und brachte große, staubig graue Netze zu Fall, als sie ein Auto vorfahren hörte. Sie hielt mitten in der Attacke inne, legte den Kopf schief und lauschte.
    »Monsieur Max! Monsieur Max!« Ihr Schrei hallte durch das Wohnzimmer und in den Gang hinaus.
    Die Reaktion war ein gedämpftes Murmeln, gefolgt von eiligen Schritten auf der Treppe. Max erschien auf der Türschwelle, eine Seite seines Gesichts mit Rasiercreme bedeckt. »Alles in Ordnung mit Ihnen, Madame? Ist etwas passiert?«
    Sie deutete mit dem Staubwedel in eine unbestimmte Richtung, aber eindeutig ins Freie. »Da ist jemand.«
    »Jemand?«
    Der Staubwedel setzte sich wieder in Bewegung. »Draußen. Ich habe ein Auto gehört.«
    Max nickte. Nach dem panischen Klang ihrer Stimme zu urteilen, hatte er einen Unfall im Haushalt mit Todesfolge befürchtet oder wenigstens die Bedrohung durch eine Maus. Doch wie er gerade herauszufinden begann, besaß jeder Aspekt des Lebens für Madame Passepartout ein dramatisches Potenzial. »Keine Sorge«, beschwichtigte er sie. »Ich werde nachsehen.«
    Das Fahrzeug war klein, nichts sagend und

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