Ein guter Mann: Roman (German Edition)
Streifenwagen«, sagte Schneider. »Mich kotzt das langsam an. Es ist unsere dreizehnte Gruppe in vier Tagen. Das hält kein Mensch aus.«
»Es kann nicht geheim bleiben«, sagte Müller. »Nicht in diesen chaotischen Tagen.«
Dieter, der geschossen hatte, saß auf einem Hocker und starrte auf den Boden. Er bewegte sich nicht.
»Ich bin dann weg«, sagte Müller. Erst jetzt sah er, dass ein Mann in der Ecke zum Fenster eine Matratze hingelegt hatte und fassungslos herumstierte.
»Bis dann«, murmelte Schneider, ohne den Kopf zu heben.
Müller drehte sich in der Tür noch einmal um. »Es ist schlimm«, sagte er. »Aber ich würde euch raten, ganz schnell zu verschwinden. Sonst seid ihr heute früh in den Fernsehnachrichten.«
»Scheiße, ja!«, sagte Schneider.
Müller lief die Treppen hinunter und begegnete dabei erstaunlich vielen Zivilisten, die die Stufen hochkamen, um etwas Sensationelles zu sehen. Er fragte sich, ob es möglich sein würde, auf die Kastanienallee zu kommen, ohne aufgehalten zu werden.
Jemand fasste ihn an der Schulter und fragte: »Stimmt das? Haben wir wen erschossen?« Es war ein Mann um die fünfzig, kurzatmig mit hochrotem Kopf und einer feisten Wampe.
»Ich weiß es nicht«, entgegnete Müller und lief einfach weiter. Er kreuzte den Hinterhof, erreichte die Toreinfahrt zur Kastanienallee hin und sah, dass man die Straße in beide Richtungen gesperrt hatte.
»Ich brauche einen Streifenwagen«, sagte er in Richtung eines Uniformierten.
»Oh Männeken«, erwiderte der. »Verlang was Einfacheres.« Dann rief er: »Treskow, hast du Zeit, wen zu fahren?«
»Mach ich«, sagte jemand, drehte sich herum und kam zu Müller. »Bist du einer von der schnellen Truppe?«
»Ja«, sagte Müller. »Ich muss ganz schnell weg hier.«
»Alles geheim, was?«
»Genau.«
»Dann wollen wir mal Gas geben.«
Müller rief Krause an.
»Der Einsatz ist gelaufen. Es war die falsche Gruppe. Wir haben zwei Tote durch eine missverstandene bedrohliche Situation. Zwei Siebzehnjährige. Das wird endlosen Stunk geben und eine Menge Druck auf die Regierung. Irgendwelche Neuigkeiten?«
»Zwei, die von Interesse sein dürften. Wir haben einen Termin bei Breidscheid und einen beim Kardinal. Ich fliege am Morgen hin. Was war das für eine Gruppe?«
»Rumänen auf ihrer Reise ins Glück. Sie sind ausgenommen worden wie Weihnachtsgänse. Ich bin wütend.«
»Da haben Sie Recht. Könnten Sie Ihre Protokolle schreiben? Exfrau von Breidscheid und so?«
»Klar. Das wird erledigt. Kann ich mit dem Kriminalisten aus den Staaten sprechen?«
»Natürlich. Ziehen Sie Sowinski zu. Und jetzt gehen Sie schlafen.«
»Ja«, sagte Müller.
Dann rief er Karen an.
»Ich bin in einer Stunde etwa zurück.«
»Wie war es?«
»Nicht jetzt«, antwortete er schroff.
Als der Streifenwagen ihn vor dem Haus seiner Einraumwohnung absetzte, war es 3.17 Uhr, und die Erschöpfung traf ihn wie ein Schlag.
Er zog sich in aller Eile um, setzte sich in sein Auto und fuhr zu Karen. Er dachte verbissen und verkrampft: Ich will jetzt nicht allein sein.
Während der Fahrt kam die erste Reaktion. Er fuhr an den Straßenrand und übergab sich. Es war ein ekelhaftes Würgen und wollte nicht aufhören.
»Um Gottes willen«, sagte Karen erschrocken, als sie die Tür öffnete. »Wie siehst du denn aus?«
Er rannte an ihr vorbei und erreichte das Bad, wo er sich erneut übergab. Es war ihm peinlich, dass der erste Schwall das Klo nicht getroffen hatte.
»Gibst du mir bitte einen alten Lappen oder so was?«
»Da sind jede Menge Papiertaschentücher«, rief sie zurück.
Er nahm die Tücher und wischte den Boden. Er säuberte mit heißem Wasser nach, würgte dann wieder und sagte laut: »Mist!« Als er aus dem Bad trat und ihr besorgtes Gesicht sah, beschwichtigte er: »Es ist alles halb so wild. Es riecht nur so ekelhaft.«
»Wieso sagst du so etwas? Es geht dir doch dreckig.«
»Mundwasser! Hast du Mundwasser?«
»Ja. Es steht in dem Schränkchen da.«
Er benutzte das Mundwasser, es brannte. Dann kam er aus dem Bad.
»Sie haben zwei Siebzehnjährige erschossen«, flüsterte er. »Und das schaffe ich nicht. Es war der falsche Pjotr, verstehst du?«
»Du musst schlafen.« Ihre Stimme war ganz weich, und sie streichelte sein Gesicht. »Komm her, leg dich ins Bett. Du bist weiß wie die Wand.«
»Du musst mich um neun Uhr wecken«, bat er. »Da ist ein Amerikaner, mit dem ich mich unterhalten will.«
ACHTER TAG
Er rasierte sich
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