Ein gutes Herz (German Edition)
Mitglieder einer Spezialeinheit, ganz in Dunkelblau gekleidet, Maschinenpistolen über der Schulter.
Van der Ven trug Anzug, weißes Hemd und Krawatte. Der Mann neben ihm war kleiner, sein Anzug war zerknittert und eigentlich eine Nummer zu groß. Dieser Mann kam mir bekannt vor. Er war Brillenträger und hielt den Kopf ein bisschen schief. Undefinierbare Haarfarbe. Zerfurchtes, müdes Gesicht, Augen, die Traurigkeit ausstrahlten. Ich kannte ihn von irgendwoher. Er war bedeutend.
Van der Ven sagte: »Wir haben heute einige Kalamitäten verkraften müssen. Ernste. Es sind Menschen ums Leben gekommen. Ein schlechter Tag für unser Land. In Schiphol ist ein Flugzeug gekapert worden. Turkish Airlines. Hundertachtzehn Menschen an Bord. Türken, Niederländer, Menschen mit beiden Staatsangehörigkeiten. Die Entführer sind niederländische Marokkaner. Wir haben den Eindruck, dass sie noch sehr jung sind. Sie haben Forderungen gestellt. Ihre Freilassung, Herr Boujeri. Und die Ihre, Herr Ouaziz. Sie bilden ein ungewöhnliches Duo. Wir wussten nicht, dass Sie zusammenarbeiten. Es ist nichts darüber bekannt, dass Sie im Hochsicherheitstrakt von Vught miteinander in Kontakt standen. Wir lassen Sie beide frei. Die Entführer haben gefordert, dass Sie, Herr Boujeri, an Bord gebracht werden. Wir haben dem unter der Voraussetzung zugestimmt, dass sämtliche Passagiere freigelassen werden. Die Entführer haben diese Bedingung akzeptiert. Sie, Herr Ouaziz, sollen auf freien Fuß gesetzt werden, an einem Ort Ihrer Wahl in Amsterdam. Man will also offenbar nicht, dass Sie mit an Bord des Flugzeugs gehen. Wir haben Ihnen den Rest Ihrer Strafe offiziell erlassen. Herr Ouaziz, haben Sie dem etwas hinzuzufügen? Können Sie unsere Neugierde befriedigen?«
Ich sah, dass der Unterweltmocro schlucken musste. Er war angespannt. Ich nicht.
Ich jubelte innerlich. Nouria sang.
»Ich habe nie Kontakt zu ihm gehabt«, sagte Ouaziz. Er machte eine wegwerfende Gebärde in meine Richtung. »Er ist ein Extremist. Ich bin Geschäftsmann. In Ihren Augen vielleicht eine seltsame Art von Geschäftsmann, aber ich bin auf alle Fälle kein Islamist. Ich weiß nicht, warum diese Entführer mich genannt haben. Das ist mir völlig unerklärlich. Es steht mir nicht zu. Sie können mich also gerne wieder zurückschicken. Lieber sitze ich meine Strafe ab, als mit diesen Entführern in Zusammenhang gebracht zu werden. Das sind Verbündete von Herrn Boujeri, nicht von mir.«
Van der Ven nickte. Der andere Mann, der so müde aussah, reagierte nicht. Van der Ven wandte sich an mich.
»Haben Sie eine Ahnung, warum Herr Ouaziz hier mit einbezogen wird?«
Ich schüttelte den Kopf. »Nein. Er ist ein Abtrünniger. Vielleicht wollen sie ihn töten.«
»Das glaube ich nicht. Sie wollen ja, dass er freigelassen wird«, entgegnete van der Ven.
Ich fragte: »Was ist mit den anderen Muslimen, die in Ihren Kerkern darben? Sollen noch weitere Muslime freigelassen werden?«
»Nein. Nur Sie beide.«
»Das verstehe ich nicht«, sagte ich.
Van der Ven wandte sich wieder Ouaziz zu. »Wir haben Ihre Frau aufgesucht. Ihr Sohn Salheddine, Sallie, ist heute nicht an seinem Arbeitsplatz erschienen. Sein gesamter Freundeskreis ist wie vom Erdboden verschluckt. Alles Jungen marokkanischer Abstammung. Eine ganze Fußballmannschaft. Sie scheinen sehr gute Spieler zu sein. Wir glauben, dass sie für das verantwortlich sind, was heute Nachmittag am Opernhaus passiert ist. Dort hat es Tote gegeben. Wir glauben, dass sie allesamt an Bord der gekaperten Maschine sind. Unterstützen Sie die Aktion Ihres Sohnes?«
Ouaziz starrte den Mann fassungslos an. Dann schluckte er, wandte den Blick ab und senkte den Kopf.
Der Mann mit den traurigen Augen trat einen Schritt vor. »Herr Ouaziz, wir möchten nicht, dass es weitere Opfer gibt. Wir haben Kontakt zu den Eltern all dieser Fußballer. Aber wir haben den Eindruck, dass Ihr Sohn der Anführer ist. Kapitän der Fußballmannschaft und Kopf der Gruppe, auf deren Konto die heutigen Geschehnisse gehen. Wir brauchen Ihre Hilfe.«
Ouaziz nickte, mit immer noch gesenktem Kopf.
»Ja, natürlich. Ich tue alles«, murmelte er. Ob die Männer ihn überhaupt verstanden?
»Wir möchten, dass alles Weitere ohne Blutvergießen abläuft, der Austausch der Passagiere gegen Herrn Boujeri«, sagte der Mann. Ich hatte seine Stimme schon mal irgendwo gehört.
»Ich mache mit«, sagte Ouaziz.
»Gut. Vielen Dank«, sagte der Mann. Und zu mir: »Sie werden
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