Ein gutes Herz (German Edition)
Vaters wurde nie gefunden.«
»Warum hat dieser Ouaziz die Leichen der Serben denn einfach so herumliegen lassen?«
»Als Hinweis an die Szene. Das machen wir mit Typen, die uns nicht respektieren, lautete die Botschaft. Deshalb, denke ich.«
»Und Max wusste davon?«
»Er schwor mir, dass er nichts von den Hinrichtungen gewusst habe. Und auch nicht vom Verschwinden von Sonjas Vater. Er sagte, Ouaziz habe ihn nicht eingeweiht. Das hätten sie so vereinbart. Max war angeschossen worden, und Ouaziz würde das Problem aus der Welt schaffen, ohne ihm etwas zu erzählen. So lautete ihre Abmachung.«
De Winter stammelte: »Sie schlief also mit dem Mörder ihres Vaters? Beziehungsweise dem Auftraggeber für den Mord?«
»Ich weiß nicht, ob Max davon wusste, Leon. Ich denke, er wird es schon irgendwie geahnt haben. Aber er hat Ouaziz nie gefragt. Sie hatten eine Art Chinese Wall errichtet. Über bestimmte Dinge kein Informationsaustausch. Schon gar nicht über solche. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er Ouaziz darum gebeten hat, ihren Vater umzulegen. Aber so wurde es nach der Festnahme Sonja gegenüber dargestellt. Man hört es die Polizisten förmlich sagen: Dein Freund ist der Mörder deines Vaters, du liegst mit dem Mann im Bett, der deinen Vater verschwinden ließ. Sie hat es geglaubt. Ob es nun der Wahrheit entspricht oder nicht. Es klang logisch. Max hatte eine dunkle Seite, das wusste sie. Kein Wunder, dass sie da das Weite gesucht hat.«
»Bram… Das hättest du mir eher erzählen müssen.«
»Ja, das hätte ich. Tut mir leid, Leon. Ich hatte keine Ahnung, dass das alles plötzlich aktuell werden würde. Mir ist das erst heute Nachmittag wieder eingefallen.«
»Es ist scheiße, aber es ist auch Stoff für ein Buch.«
Moszkowicz grinste. »Ich dachte mir schon, dass du das sagen würdest.«
»Nur, wenn sie mich verlässt. Sonst nicht. Wenn sie bleibt, kein Buch. Wenn sie geht, dann schon. Ein magerer Trost. Ein Roman als Ersatz für Sonja.«
»Warte erst noch mal ab. Und noch etwas…«
Moszkowicz änderte nervös seine Sitzhaltung. Schluckte, als sei er verlegen. Das sah ihm gar nicht ähnlich.
»Eva hat mir vorhin gesagt, dass sie eine Weile allein sein möchte. Nicht für immer, sagte sie. Nur um ein wenig zu Atem zu kommen. Ein wenig Abstand zu gewinnen. Sie möchte nachdenken, sagte sie.« Er hielt kurz inne und schluckte erneut. »Ihre Gedanken ordnen und dann weitersehen. Das ist natürlich alles Gerede. Wenn man so etwas will, ist das doch der Anfang vom Ende.«
»Vielleicht auch nicht«, sagte de Winter, obwohl er in Wirklichkeit das Gleiche dachte.
Moszkowicz fragte: »War es bei Jessica nicht genauso, das hast du mir doch erzählt, oder?« Sein Blick flehte um eine Verneinung.
»Jes und ich waren fast zwanzig Jahre zusammen. Sie fand, ich sei so durchschaubar und langweilig geworden, und meine rechtslastigen Tiraden machten sie verrückt. Eva und du, ihr seid erst so kurz zusammen. Ich bin langweilig. Aber du? Sie ist ganz verrückt nach dir, das ist nicht zu übersehen.«
»Ich bin achtzehn Jahre älter als sie. Wenn ich sechzig werde, ist sie gerade mal Anfang vierzig.«
»Warum ziehst du nicht um? Das ist dein Haus, deine Kanzlei, deine Privatwohnung oben. Hier hast du auch mit Juliette gewohnt. Zu viel.«
»Sie möchte in Amsterdam bleiben.«
»Was hat sie von der Stadt? Sie kann sich hier kaum noch auf die Straße wagen, seit sie so berühmt ist. Ich habe im Internet gelesen, dass sie wahrscheinlich Nachfolgerin von Paul Witteman wird. In Zukunft wird die Talkshow also ›Pauw und Jinek‹ heißen.«
»Sie haben bei ihr angefragt, das stimmt. Aber sie weiß noch nicht, ob sie es macht. Ich glaube, dass es damit zu tun hat.«
Es klopfte an der Tür. Sie brachen das Gespräch ab. Die Sekretärin trat ein. Sie hatte wirklich eine starke körperliche Ausstrahlung. Aber einen Ersatz für Sonja sah de Winter nicht in ihr. Absurd, so etwas schon jetzt zu denken. Hatte Bram die Sekretärin etwa in der Hinterhand, für den Fall, dass Eva ihn verließ? Spielte sich in der Kanzlei bereits etwas ab, was er noch verschwieg?
De Winter hatte Jessica damals in Menton noch sehr nachgetrauert, als er sich mit dem Gedanken trug, einen Roman über sie zu schreiben. Sonja war im Grunde die erste Frau gewesen, für die er wieder einen Blick gehabt hatte. Attraktiv. Eigenwillig. Und ziemlich spleenig. Genau die Art Frau, für die er eine Schwäche hatte. Hochintelligent und nicht ganz normal.
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