Ein gutes Herz (German Edition)
will, dass Donner dem Austausch zustimmt.«
Die Meldung, die die Entführer durchgegeben hatten, als sie noch in ihrer 737 Richtung Asien flogen, war klar und deutlich: Wir wollen Wilders. Welche Gegenleistung sie dafür erbringen würden, blieb längere Zeit unbekannt, so dass zunächst alle die Achseln zuckten. Wir wollen Wilders, er begleitet uns in das Land der Muslime, sagten sie, und dort wird er unser Hündchen! Gebt uns Wilders! Wir sind die Jünger des Propheten, und die Juden sind unsere Hunde! Wilders ist unser kleiner Köter! Die Maschine hielt weiterhin Kurs auf einen Flughafen irgendwo in Asien. Die türkische Crew wollte nicht abgelöst werden. Vielleicht sympathisierte sie mit den Entführern. Und dann wurde die Schule besetzt und dreihundert Kinder und fünfundzwanzig Lehrer als Geiseln genommen. Jetzt hörte sich die Forderung schon ganz anders an. Wir kommen zurück! Wir holen unser Hündchen ab!
Donner hatte Wilders ein zweites Mal angerufen. Die Maschine war wieder in Schiphol gelandet. Er sagte: Wir werden gezwungen, das auf eine Weise zu lösen, die uns nicht gefällt. Wir stehen mit dem Rücken zur Wand, wir werden Gewalt anwenden müssen.
»Du bist verrückt«, sagte Moszkowicz. »Du willst, dass Donner dich Mördern ausliefert? Gott weiß, was sie mit dir vorhaben. Das tut er nicht. Das würde keiner tun. Warum willst du das?«
»Wenn sie mich enthaupten, machen sie einen weltweiten Videohit daraus«, sagte Wilders. »Im Grunde meines Herzens habe ich immer davon geträumt, mal ein berühmter Filmstar zu werden. Die Chance lasse ich mir nicht entgehen.«
»Was ist die Alternative?«, fragte Moszkowicz, ohne auf Wilders’ Scherz einzugehen.
De Winter schwieg und musterte Wilders mit offenem Mund. Er wollte alles registrieren, denn dieses Material war für ihn natürlich Gold wert. Wilders dachte: Ich liefere ihm jetzt den Stoff für einen Bestseller.
Er sagte: »Wenn ich nicht gehe und keiner will, dass ich gehe, muss Donner die Schule stürmen lassen und gleichzeitig das Flugzeug kurz und klein ballern. Die Gefährdung der Kinder ist inakzeptabel. Alle haben eine Heidenangst vor einem zweiten Beslan.«
»Beslan?«, fragte Moszkowicz.
Jetzt machte de Winter den Mund auf. »Das war 2004 in Russland. Die Aktion von muslimischen Terroristen in Beslan. Auch eine Schule. Über dreihundert Tote. Mehr als die Hälfte davon Kinder.«
Moszkowicz nickte. »Das ist teuflisch«, sagte er. »Sie wollen dir das Leben nehmen, und wenn du dich dem entziehst, zwingen sie den Staat, das Leben von Kindern in die Waagschale zu legen. Aber kein Staat kann sich dem beugen. Würdest du dich dem beugen, wenn du im Kabinett wärst?«
»Ich bin mehr oder weniger im Kabinett, Bram. Ich komme gerade vom Binnenhof. Dort haben wir das alles besprochen. Donner vertritt die Auffassung, sie würden gar nicht wollen, dass ich mich ausliefere. Seiner Meinung nach hat ihr Ultimatum nur Symbolcharakter, und wir sollten es einfach verstreichen lassen. Das Ultimatum läuft heute Abend bei Sonnenuntergang ab. Soll Donner doch machen, was er will. Ich habe beschlossen, dass ich es tue. Dann ist meine Partei in den kommenden Jahrzehnten die größte im Land. Das wird ein historisches Ereignis.«
»Geert…«, sagte de Winter, »… die beliebteste Hinrichtungsart solcher Typen ist die Enthauptung, und unser Freund Boujeri ist an Bord der Maschine, vergiss das nicht. Was hast du davon, wenn sie den besten Propagandafilm machen, den du dir je vorstellen konntest? Deinen eigenen Tod?«
»Na gratuliere«, sagte Moszkowicz. »Viel Vergnügen.«
»So weit wird es nicht kommen«, entgegnete Wilders. »Was ich gehört habe, ist… Ich bin doch nicht verrückt, ich weiß verdammt gut, was ich tue! Also der Junge, der den Trupp anführt, ist kein Boujeri. Dieser Anführer ist ein brillanter Kopf. Er hat sich zu Wort gemeldet, er ist in der Schule. Ich glaube, dass die Gefahr für mich minimal ist. Er behauptet, dass sie mich in ein Land mitnehmen, dessen Name auf ›-stan‹ endet. Sie wollen mich dort bekehren, sagt er. Sie wollen mir den Hund austreiben und den Gläubigen in mir auferstehen lassen. Das Wagnis gehe ich ein. Wenn sie mir nicht sofort den Kopf abschlagen, habe ich eine Chance. Ich glaube, dass ich ein größeres Risiko eingehe, wenn ich mich auf der A 4 hin und her fahren lasse. Man gibt mir einen kleinen Sender mit, nicht größer als ein Stecknadelkopf. Man kann mich also orten, darüber haben sie sich auch
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