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Ein gutes Herz (German Edition)

Ein gutes Herz (German Edition)

Titel: Ein gutes Herz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leon de Winter
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Schuldgefühle befielen, sowie er die Hotelzimmertür hinter sich zugezogen hatte und sich das heilige Gewicht seiner Berufung auf seine Schultern senkte. Das machte ihn in ihren Augen für eine dauerhafte Beziehung als Lebenspartner ungeeignet. Sie hätte an seiner Seite auch seinen Gott ertragen müssen, und der war letztlich der Stärkere.
    Im Durchschnitt einmal die Woche. Und jedes Mal so, als würde es keine Fortsetzung geben. Sie widmeten sich dem, was sie hergeführt hatte, und trafen nie eine neue Verabredung. Doch dann rief sie an oder schickte eine SMS . Eine Stunde zusammen, dann war er weg. Beschämt, wie sie wusste. Das missfiel ihr, obwohl sie sich auch begehrt und somit mächtig fühlte.
    Sie hatte ihn in der Schule kennengelernt. Nathan ging halbtags in den schuleigenen Kindergarten. Die Schule der Franziskanerinnen war die beste in der Dominikanischen Republik. Sonja war nicht katholisch. Sie glaubte zwar, dass Kräfte auf ihr Leben einwirkten, die ihre eigenen überstiegen, aber sie wollte ihr Kind keiner institutionalisierten Religion aussetzen. Das sei kein Problem, hatte Padre James in amerikanischem Englisch gesagt, es sei Platz für jeden, und vielleicht werde sie ja noch zum wahren Glauben finden. Sie traf sich noch zu einem zweiten Gespräch mit ihm, und als sie ihm in die Augen sah, erkannte sie, dass er das Gleiche dachte wie sie. Sie hatte schon seit zehn Monaten keinen Mann mehr gehabt.
    Zwei Wochen später traf sie ihn zufällig in der Stadt. Sie war auf dem Weg zu einem Termin – ihre niederländische Facharztausbildung wurde hier anerkannt, und sie arbeitete ehrenamtlich in Frauenkliniken –, als sie hinter sich jemanden ihren Namen sagen hörte. Sie drehte sich um und sah seinen Augen an, dass er auf ihren Rücken und ihren Hintern in dem ärmellosen, dünnen Blümchenkleid und ihre nackten Beine in den halbhohen Pumps gestarrt hatte. Es folgte ein Espresso in einer Bar. Eine halbe Stunde, in der sie über die Schule und die Insel plauderten. Sie ergriff unverfroren die Initiative. Hotel El Embajador, in einer Stunde, sagte sie mir nichts, dir nichts. Kauf dir ein neutrales Shirt, setz dir was auf den Kopf. Dann erhob sie sich und ging. Eine Stunde später klopfte es an der Tür. Sie hatte gerade geduscht. Mit nassen Haaren machte sie auf. Wortlos ließ sie das Handtuch fallen und knöpfte seine Hose auf. Ihr stockte kurz der Atem, als sie sah, was er zu bieten hatte. Er hob sie hoch und trug sie zum Bett. Er war ausgehungert. Sie auch. Sie biss in ihren Handrücken, um einen Schrei zu unterdrücken.
    Lieber, liebenswerter, starker Jim.
    Durch Schnee und Eis fuhr sie zu ihm, als er im Sterben lag. Sie richtete sich an den Rücklichtern der vor ihr fahrenden Autos aus, eine lange Schlange, die im Schritttempo in den tiefen Spurrinnen fuhr, die die Reifen in die weiße Decke gekerbt hatten. Jimmy hatte ihr nicht gesagt, dass ein Gehirntumor bei ihm diagnostiziert worden war. Das hatte ihr erst jetzt Janet am Telefon mitgeteilt. Er habe nicht mehr lange zu leben, sagte Janet. Jimmy hatte einen Monat vorher eine Liste gemacht, was noch zu erledigen sei, und ein Punkt auf seiner Liste betraf Sonja. Er wollte, dass sie bei ihm war, wenn er ging. Nathan konnte bei einem Freund in Cannes bleiben, und so flog sie nach Amerika.
    Ein halbes Jahr davor hatte Jimmy, der immer die Ruhe und Zuvorkommenheit selbst gewesen war, unerklärliche Wutanfälle bekommen. Und er krümmte sich immer wieder unter stechenden Kopfschmerzen. Eine MRT -Aufnahme enthüllte einen Tumor im Endstadium, ein Astrozytom Grad IV . Die Ärzte gaben ihm nur noch wenige Wochen. Er wollte eine zweite Meinung und gelangte über Kontakte des Ordens an die Mayo Clinic in Rochester, wo die Franziskaner nach wie vor Einfluss hatten. Dort wurde die gleiche Prognose gestellt. Aber ihm war mehr Zeit beschieden als vorhergesagt. Eine weitere Behandlung wollte Jimmy nicht, stattdessen versuchte er, sich in den letzten Monaten im Krankenhaus nützlich zu machen, indem er, als sterbender Patient, anderen sterbenden Patienten Trost und Besinnung spendete.
    »Er war der beste Mensch, den ich kannte«, hatte Janet am Telefon gesagt. Und sie hatten beide stumm vor sich hin geweint.
    Sonja war müde geweint, als sie nach langer, blinder Fahrt den Wagen vor dem Motel gleich um die Ecke der Klinik abstellte, in dem auch Janet abgestiegen war. Sie hatte für Sonja ein Zimmer reserviert. Janet war kleiner und schmächtiger, als Sonja erwartet

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