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Ein gutes Herz (German Edition)

Ein gutes Herz (German Edition)

Titel: Ein gutes Herz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leon de Winter
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nicht mitkommen.«
    »Diesmal vielleicht schon. Aber für uns tut sich jetzt eine ganz andere Welt auf, Mann! Wir werden etwas Phantastisches erleben!«
    »Meine Brüder taten mir so leid, heute Morgen.«
    Frits hatte zwei jüngere Brüder. Sein Vater war tot, vor fünf Jahren mit seinem LKW auf einer italienischen Autobahn verunglückt. Er hatte Schweine geladen, die in Italien zu Prosciutto verarbeitet werden sollten. Die Autobahn wurde für Stunden gesperrt. Die verletzten Schweine, die aus dem aufgerissenen Anhänger geflüchtet waren, mussten erschossen werden.
    »Sie werden stolz auf dich sein.«
    »Ja, das glaube ich auch.«
    »Wir werden dafür sorgen, dass sie Geld bekommen.«
    »Geht das von dort aus?«
    »Per Hawala, natürlich.«
    Sallie hatte selbst schon des Öfteren auf diesem Weg Geld erhalten. Das System funktionierte so, dass irgendjemand in Asien oder dem Nahen Osten mit einem Kuvert voll Geld zu einem Hawaladar ging und diesen um die Überweisung in die Niederlande bat. Ein niederländischer Hawaladar wurde per Fax oder E-Mail kontaktiert, und wenn dieser über genügend Bargeld verfügte, konnte die Überweisung vonstattengehen, meistens gegen fünf Prozent Vergütung. Der niederländische Hawaladar gab dem Auftraggeber einen Code durch, den dieser der Person übermitteln musste, die in den Niederlanden das Geld abholte. Ein geschlossenes System. Sicher. Informell. Unsichtbar für die Behörden.
    »Ich hatte so sehr das Gefühl, dass sie mich brauchen«, sagte Frits.
    »Das tun sie ja auch.«
    »Ich lasse sie im Stich.«
    »Nein. Du bist ein Vorbild für sie.«
    Sallie sah Frits nicken und mit den Tränen kämpfen.
    »Ich vermisse meine Schwester auch«, sagte Sallie.
    Frits schwieg. Sie kamen an der Portugiesischen Synagoge vorüber. Links von ihnen war das Jüdische Historische Museum. Sie mussten auf dem Mr.   Visserplein vor der Ampel warten. Auf der anderen Seite des Platzes, bei der Mozes en Aäronkerk, standen zwei Polizeijuden. Sallie hatte mal einen Juden gekannt, den Gangster, mit dem sein Vater zusammenarbeitete. Sallie erinnerte sich an einige Besuche von ihm. Einmal war er bei ihnen zum Essen gewesen, und als er ging, gab er Sallie einen Fünfundzwanzigguldenschein, damals ein Vermögen für ihn. Onkel Max. Sallie hatte den Schein lange gehütet. Ein Vogel war darauf abgebildet, ein Rotkehlchen. Er hatte sich seinen geheimen Schatz, der ihn von Fernreisen und Wundern träumen ließ, oft angeschaut, im Bett, unter der Decke. Vor einiger Zeit hatte er Onkel Max gegoogelt. Max Kohn war ein Verbrecher, der ungeschoren das Land verlassen konnte. Sallies Vater hatte alles auf sich genommen. Achtzehn Jahre hatte er gekriegt.
    Die Ampel sprang auf Grün, und Sallie lenkte den Wagen um den Platz herum, an den Polizeijuden vorbei, und bog zum Eingang der Tiefgarage ab. Es war zehn vor halb drei. Achtsam manövrierte Sallie den Transit an den Ticketautomaten. Nachdem er das Ticket aus dem Schlitz gezogen hatte, hob sich der Schlagbaum. Sallie fuhr nach unten.
    Pfeile zeigten den Weg durch den niedrigen Raum an, vorbei an dichtgeparkten Autos. Der hohe Transit fiel hier aus dem Rahmen. Sie fuhren zunächst an der Außenwand der Garage entlang, dann steuerte Sallie die Parkflächen in der Mitte des Raums an. Auf einmal hoffte er, dass alles zugeparkt war, dass er den Transporter nirgendwo abstellen konnte und sie unverrichteter Dinge wieder wegfahren mussten. Doch er sah einen freien Parkplatz und stellte den Transporter genau zwischen den Begrenzungslinien ab.
    Die Parkflächen waren schmal, auf kleine europäische PKWS zugeschnitten, aber Sallie war ein geschickter Fahrer und parkte perfekt ein. Er drehte den Zündschlüssel und zog ihn heraus. Das Knattern des Dieselmotors erstarb.
    Sie blieben still sitzen.
    Die Tiefgarage war zu drei Vierteln voll. Von allen Seiten kehrten Leute mit Einkäufen zu ihren Fahrzeugen zurück. Sallie sah zwei junge Frauen mit einer älteren Frau zwischen sich, unverkennbar Schwestern mit ihrer Mutter. Sie waren mit Tragetaschen beladen. »Maison de Bonneterie« stand auf einer – ein exklusives Warenhaus am Rokin. Er war mal aus Neugier reingegangen und hatte sich dort umgeschaut, misstrauisch vom Personal beäugt. Etwas weiter weg schob eine Frau einen Zwillingskinderwagen und sprach in ihr Handy, das sie mit angehobener Schulter an die Wange gedrückt hielt.
    »Ich bin mir nicht mehr so sicher«, sagte Frits.
    Sallie auch nicht. Hinter ihnen befand sich eine

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