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Ein gutes Herz (German Edition)

Ein gutes Herz (German Edition)

Titel: Ein gutes Herz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leon de Winter
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den er mit der Faust umschlossen hatte, und rannte davon.
    Ohne sich umzublicken, rannte er auf die Blauwbrug. Sallie folgte ihm ein paar Schritte, um ihm besser nachschauen zu können. Es schien fast, als spüre Frits das. Auf der Mitte der Brücke blieb er plötzlich stehen und drehte sich zu Sallie um.
    Frits hob beide Arme wie ein Kind, dem ein Pullover übergestreift wird, und suchte seinen Blick. Sallie sah, dass er weinte. Nach einigen Sekunden ließ Frits die Arme sinken und rannte weiter, die Amstelstraat hinunter, wo er aus Sallies Blickfeld verschwand.
    Sallie schlenderte ans Ufer der Amstel und betrachtete von dort aus, bewusster als je zuvor, die eleganten Formen der Blauwbrug, die tatsächlich einige blaue Ornamente hatte. Auf der Brücke standen acht Pfeiler aus braunem Marmor, und jeder der Pfeiler trug nicht nur eine Krone, sondern auch zwei Lampen, deren Fuß und Schirm blau waren. Die Bombe konnte diese Pfeiler zerstören. Würde Sallie mit den Folgen seiner Wut leben können? Denn alles drehte sich um Wut, das wurde ihm jetzt bewusst. Sein Vater hatte sich in diesem Land erniedrigen lassen, und Sallie wollte diesem Land schon von jeher den Rücken kehren. Man hatte ihm hier zwar Chancen eröffnet, er hatte eine passable Ausbildung erhalten, aber dieses Land war ihm zutiefst fremd. Die Brücke war prächtig. Er würde sie zerstören.
    Sallie ging zum Fußgängereingang der Tiefgarage zurück. Kein Polizeijude zu sehen. Zwar hingen hier Überwachungskameras, doch die konnten nicht aufzeichnen, was sich in seinem Kopf abspielte. Fünfhundert Kilo ANNM würden ein Loch in den Boden der Oper sprengen, die Benzintanks der hier abgestellten Fahrzeuge würden explodieren, und Menschen, die sich zu diesem Zeitpunkt in der Garage oder in der Oper befanden, würden verbrennen.
    Er öffnete die Tür zum Treppenhaus und zog sein neues Prepaid-Handy aus der Hosentasche. Er kontrollierte, ob darin die Alarmnummer vom Rathaus gespeichert war. Dann ging er zum Transporter zurück. Er wusste, was sein Anruf bewirken würde.
    Die Tiefgarage wurde vom Rathaus im nördlichen Teil der Stopera aus überwacht, und nicht von der Oper aus. Vierundzwanzig Stunden am Tag war dort jemand vom Sicherheitsdienst auf dem Posten. Wenn Detektoren anschlugen, zum Beispiel bei Feuer, musste er persönlich nach dem Rechten sehen. Dafür war ein Zeitfenster von einer Minute vorgesehen; war die um, rückte automatisch die Feuerwehr aus der nicht weit entfernten Wache IJtunnel an. Deren Wagen konnten binnen zwei Minuten vor der Stopera stehen. Wurde von irgendjemandem ein Notfall gemeldet, ohne dass Detektoren anschlugen, war der Mann vom Sicherheitsdienst ebenfalls zuständig. Er konnte mittels eines Funkgeräts, das er bei sich trug, Alarm bei Feuerwehr und anderen Rettungsdiensten auslösen. Während Feuerwehr und Krankenwagen unterwegs waren, trat ein internes Notfallteam in Aktion, das alle im Gebäude anwesenden Personen nach draußen dirigierte. Über Lautsprecher wurde die Meldung durchgegeben, dass alle das Gebäude verlassen und den Anweisungen Folge leisten sollten.
    Der PKW auf der Fahrerseite des Transits parkte gerade aus, als Sallie auf der Beifahrerseite einsteigen wollte. Er zog seine Gummihandschuhe an, band sich den Atemschutz über Mund und Nase und goss Wasserstoffperoxid, Aceton und Salzsäure in einen robusten industriellen Plastikbehälter, der durch herausnehmbare Zwischenwände in drei Fächer unterteilt war. Selbst mit dem Atemschutz vor der Nase konnte er die Stoffe riechen. Kritisch wurde es in dem Moment, da er die Zwischenwände hochzog und sich die Stoffe vermischen würden – das konnte eine spontane Explosion auslösen.
    Die Luft im Transporter war jetzt mit stinkenden Chemikaliendämpfen angereichert. Er griff zu einem langen Plastiklöffel und verrührte die Stoffe. Dreißig Sekunden. Er würde jetzt sterben. Die Explosion würde so schnell gehen, dass er nichts merken würde, sagte er sich. Er dachte an seine Mutter, seine Schwester, ja sogar an seine Cousine, das behaarte Mädchen, das er niemals heiraten würde. Ein anderes Mädchen, das jetzt noch nichts von ihm wusste, wartete auf ihn, ein Mädchen irgendwo in Zentralasien, wohin er mit den Jungs fliehen würde. Er legte den Löffel hin und fragte sich, ob er tot war.
    Er schob die Batterien in den Wecker und stellte die Weckzeit auf zehn Minuten später ein – das musste genügen. Die Stromkabel verband er mit dem elektrischen Zünder. Der

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