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Ein gutes Herz (German Edition)

Ein gutes Herz (German Edition)

Titel: Ein gutes Herz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leon de Winter
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Bombe, die die Tiefgarage in eine brennende Hölle verwandeln würde. Die Decke über dem Transit würde aufgesprengt werden, und die Flammen würden in den darüberliegenden Opernsaal schlagen. Sallie wusste nicht, ob dort gerade gearbeitet wurde. Er war nie dort gewesen. Die Eintrittskarten waren zu teuer, und das, was dort gespielt wurde, war für die intellektuelle Elite bestimmt, die an den Grachten oder im Concertgebouw-Viertel wohnte. Wenn nun gerade für ein Stück oder ein Ballett oder ein Konzert geprobt wurde, würde es Tote geben. Das hätte ihr Tun im äußersten Fall zur Folge. Aber er hatte einen Plan, wie es sich vermeiden ließ.
    Obwohl Sallie in diesem Land geboren war, fühlte er sich als Fremder. Einige von ihrem Team hassten das Land, weil sie fromm waren und davon überzeugt, dass hier der Teufel herrsche. Nicht weit von dem Ort, an dem sie sich jetzt befanden, warteten Frauen in Schaufenstern auf Männer, die für Sex bezahlten. Sein eigener Vater hatte das Leben eines Holländers geführt, bis er auf dem Flughafen Schiphol von der Polizei überwältigt und verhaftet worden war. Er hatte seine Familie vernachlässigt und holländische Freundinnen und Huren gehabt. Achtzehn Jahre Gefängnis. Unterweltmorde.
    »Ich muss mal eben an die frische Luft«, sagte Frits. Er öffnete die Tür gerade weit genug, um aussteigen zu können – der Transit stand zwischen zwei dicht daneben geparkten PKW s –, glitt von seinem Sitz und war nicht mehr zu sehen. Auf Sallies Seite war nicht genug Platz zum Aussteigen. Er schwang die Beine über die Mittelkonsole, rutschte auf den Beifahrersitz hinüber und folgte Frits.
    Frits bewegte sich bereits auf einen der Ausgänge zu, und Sallie beschleunigte seine Schritte, um zu ihm aufzuschließen.
    »Was hast du vor, Frits?«
    »Nur kurz nach draußen.«
    Frits zog die Tür zu einem Treppenhaus auf, und Sallie folgte ihm, die Stufen hinaufspringend, als flüchte er vor einem Feuer. Frits zog seinen Schnurrbart ab.
    Draußen blieb er nicht stehen, sondern entfernte sich schleunigst vom Opernhaus, überquerte die Straßenbahnschienen und eilte in einen Laden. Sallie blieb an seiner Seite. Besser, er sagte jetzt erst mal nichts und gab Frits Zeit zu trauern. Denn das war es, was er wollte. Frits nahm Abschied und trauerte.
    Sallie war der Anführer des Teams, weil er nachempfinden konnte, was in den Jungs vorging. Er kannte ihre Ängste, und er wusste, wovor sie flohen.
    Frits kaufte ein Päckchen Marlboro und ein Feuerzeug, riss das Päckchen draußen vor dem Laden auf und zündete sich eine Zigarette an. Er inhalierte tief.
    »Ich rauche heimlich«, sagte er.
    »Das hab ich schon ein paarmal gerochen«, sagte Sallie.
    »Aber du hast nichts gesagt.«
    »Nein.«
    Sie blickten auf eine vorüberfahrende Straßenbahn. Auf ihren Seiten waren Werbefolien für einen neuen Actionfilm angebracht. Sallie fragte sich, ob die Explosion wohl über den Ausgang der Tiefgarage die Straßenbahn aus den Gleisen werfen würde. Die Mozes en Aäronkerk könnte beschädigt werden.
    Frits’ Gedanken gingen in die gleiche Richtung. »Bald ist alles anders.«
    »Ja«, sagte Sallie.
    »Abi kann es weit bringen.«
    Frits’ jüngerer Bruder Abdul war ein noch besserer Fußballspieler als er. Noch besser als Messi.
    »Abi hat gestern einen Anruf von der A -Jugend bekommen.«
    »Das ist toll«, sagte Sallie.
    »Sie wollen ihn haben. Bei Ajax. Ich habe ihm alles beigebracht, was ich kann.«
    »Ich weiß. Ich habe euch oft zusammen gesehen.«
    »Wir haben keinen Vater mehr«, sagte Frits entschuldigend.
    Sein Vater hatte in Marokko Bautechnik studiert, aber sein Diplom wurde in den Niederlanden nicht anerkannt. Daher war er LKW -Fahrer geworden. Gestorben inmitten von Schweinen auf einer Autobahn südlich von Mailand.
    »Geh nach Hause«, sagte Sallie. »Abi braucht dich. Ich schaff das hier allein.«
    »Ich muss dir beim Anmischen helfen.«
    »Kann ich allein.«
    »Das ist gefährlich. Ich kann dich nicht alleinlassen.«
    »Du musst nach Hause, Frits. Geh zu Abi. Er darf zu Ajax. Das ist eine unglaubliche Chance.«
    »Ich lasse euch nicht im Stich.«
    »Wir werden uns dort eine Satellitenschüssel besorgen, und dann werden wir stolz sein, wenn wir Abi spielen sehen. Wir kriegen das auch ohne dich hin.«
    Frits trat seine Kippe aus und umarmte Sallie, mit niedergeschlagenen Augen. Zehn Sekunden lang verharrten sie so. Dann ließ Frits Sallie unvermittelt los, reichte ihm den falschen Schnurrbart,

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