Ein gutes Herz (German Edition)
in Oklahoma. Nach den Stadtplänen zu urteilen, die Sallie sich von dort angesehen hatte, musste die Zerstörung gigantisch gewesen sein. Würden sie es genauso machen und einen LKW mit dreitausendzweihundert Kilo Sprengstoff neben der Stopera parken, würde die gesamte Stadtmitte Amsterdams in die Luft fliegen. Und womöglich hielten sich dort Hunderte oder sogar Tausende von Muslimen auf. Die Bebauung Amsterdams war wesentlich kompakter als in jenem Viertel um das Murrah Building in Oklahoma und würde somit noch heftiger von der Detonation in Mitleidenschaft gezogen werden. Es würde unzählige Tote geben. Darum ging es ihnen bei ihrer Mission aber nicht. Die sollte vielmehr eine Art Stunt sein. Sie wollten zeigen, zu was sie imstande waren, dass ein paar namenlose Jungs aus Osdorp die Elite der niederländischen Käseköppe dumm dastehen lassen konnten. Wenn sie das Ganze überlebten – und das war ihre Absicht –, würde man ihnen ein für alle Mal Respekt entgegenbringen. Sie hätten es geschafft. Sie hätten das Unmögliche möglich gemacht. Mit Mumm, Weitblick, Intelligenz. Darauf würden sie ihr ganzes weiteres Leben aufbauen können.
Mit einer Sprengladung von gut fünfhundert Kilo würden sie nur einen Teil des Opernhauses zerstören. Die Explosion in der Tiefgarage, also teilweise unterirdisch, beschränkte die Wirkung auf dieses Gebäude. Todesopfer wollten sie vermeiden.
Alle Mitglieder des Teams hatten sich bei ihrem Arbeitgeber krankgemeldet oder einen Tag freigenommen. Sie waren bereit. Sie waren topfit, gesund, ausgeschlafen, gut präpariert und so unschlagbar wie auf dem Fußballplatz.
Den Transit hatten sie in der Garage von einem ihrer Väter unterstellen können. Mit Frits zusammen hatte Sallie eine letzte Inspektion vorgenommen und die Flaschen mit Wasserstoffperoxid, Aceton und Salzsäure bereitgestellt. Die würden sie vor Ort in einem für Salzsäure geeigneten Plastikbehälter vermischen. Das war gefährlich, da es nicht viel brauchte, um den Cocktail zur Explosion zu bringen. Und die größte Gefahr waren die stinkenden Dämpfe, die entweichen würden, denn sie konnten bemerkt und dem über die Tiefgarage wachenden Sicherheitsdienst gemeldet werden. Dass überall in der Tiefgarage Kameras angebracht waren, spielte keine Rolle. Der Transit war gestohlen, und sie würden Brillen und falsche Schnurrbärte tragen.
Sallie und Frits fuhren auf dem Autobahnring um die Stadt herum und steuerten die Stopera über die Wibautstraat an. Sie hatten kurz gegrinst, als sie ihre Schnurrbärte anklebten, doch diese Sorglosigkeit war wie weggeblasen, als Sallie den Wagen startete. Jetzt gab es kein Zurück mehr. Die Vorbereitungen hatten zwei Jahre gedauert. Jetzt wurde Stufe eins ihres Plans in die Tat umgesetzt.
Frits behielt den Rückspiegel im Auge. Es wäre zu blöd, wenn man sie wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung anhielte. Sie hörten eine CD von Michael Jackson, die schon im Player gesteckt hatte, als Sallie den Wagen von den Belgiern übernahm. Die Musik überspielte die unbehagliche Stille zwischen ihnen.
Die Wibautstraat war sehr belebt. An einer Fußgängerampel stand ein Grüppchen marokkanischer Mädchen in engen Jeans und mit modischen Kopftüchern, sexy und herausfordernd auf Stöckelschuhen. Sonst hatte Frits immer das Fenster geöffnet und Mädchen wie diesen eine Mitfahrgelegenheit angeboten – die sie nie annahmen –, aber jetzt warf er ihnen nur einen kurzen Blick zu und behielt weiterhin konzentriert den Rückspiegel im Blick.
»Sie wissen von nichts«, sagte Frits, als sie die Wibautstraat zur Hälfte hinter sich hatten.
»Nichts«, bestätigte Sallie.
»Sie denken, dass heute einfach alles weitergehen wird wie immer. Aber das wird es nicht.«
»Nein.«
»Ich bereue nichts«, sagte Frits.
Sallie warf einen kurzen Seitenblick auf ihn, besorgt über seinen Ton. Frits kämpfte mit Zweifeln, das hörte er ihm an. Frits schaute starr geradeaus, und Sallie sah die Panik in seinen Augen.
»Ich weiß, was du empfindest, Frits.«
»Ich empfinde nichts.«
»Und ob. Du bist verwirrt. Ich auch. Wir werden uns hier nie mehr frei bewegen können. Wir gehen woandershin. Als ich mich heute Morgen von meiner Mutter verabschiedet habe, hätte ich flennen können. Sie weiß auch nicht, dass sich heute alles verändern wird. Aber das ist unser Weg. Ich wollte, es wäre nicht so. Ich würde lieber heute Abend mit einem der Mädchen von eben ausgehen.«
»Sie würden sowieso
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