Ein gutes Herz (German Edition)
verdienen. Das ist schon eine ganze Menge. Hast du mir zu verdanken.«
»Oh. Fein. Und was möchtest du als Gegenleistung?«
»Ich möchte, dass es dir gutgeht.«
»Vielleicht haben wir davon unterschiedliche Vorstellungen, Jimmy.«
»Aber hier zählt nur die meine, Theo.«
Theo hüpfte das nicht vorhandene Herz, als er daran dachte, dass er möglicherweise mit seinem Sohn kommunizieren konnte. Doch binnen einer Sekunde schwand diese Hoffnung. Das war keine gute Idee. Er war nicht mehr, er war nach den geltenden und allen anderen Normen tot. Sein Sohn würde zu einem Medium werden, wenn Theo ihn aufsuchte, zu einem, der nicht mehr ganz dicht war, einem Spinner, der mit Geistern sprach.
Theo fragte: »Ich nehme an, dass ich nicht kommunizieren darf mit wem ich will?«
»Da liegst du ganz richtig.«
»Ihr weist mir jemanden zu?«
»Im Prinzip schon, ja. Wir können dir auch die Wahl lassen. Dann nennen wir dir drei Namen, und aus denen darfst du dir deinen Kommunikationspartner aussuchen. Ansonsten weise ich dir jemanden zu.«
»Wie geht dieses Kommunizieren vor sich?«
»Man erscheint im Traum. Man kann auch einen Gegenstand verrücken, so dass der Betreffende es nicht sieht, aber doch irgendwie wahrnimmt. Und wenn du das Glück hast, Engel zu werden, kannst du dich als Lichtblitz offenbaren.«
»Als Lichtblitz offenbaren?«, wiederholte Theo mit angeekeltem Gesicht, als habe er Essig zu sich genommen. »Warum so ein Schnickschnack und mysteriöses Getue?«
»Das Leben unten ist ein Leben, in dem man das eine und andere unter Beweis stellen muss, Theo. Engagement, gutes Benehmen, Sittlichkeit.«
»Schrecklich«, brummte Theo und schüttelte angewidert den Kopf.
Jimmy trank einen Schluck. Er schloss die Augen und biss kurz die Zähne zusammen, als er den Whisky runterschluckte.
»Wow«, ächzte er genießerisch.
»Immer eine volle Flasche«, sagte Theo einladend. »Also das, was ihr Kommunizieren nennt, bedeutet, dass sie unten das Gefühl haben, sie hätten es mit einem Geist zu tun.«
»Nein. Das wäre zu viel gesagt. Es muss kleiner sein. Eine feinere Klaviatur. Jemand sitzt auf dem Sofa und hat das Empfinden, dass das Fenster offen steht, denn er verspürt einen leichten Luftzug. Aber das Fenster ist geschlossen.«
Theo fragte: »Eine Lichtspiegelung in der Fensterscheibe?«
»Das ginge.«
»Was ist der Zweck dieses Kommunizierens?« Er sprach das letzte Wort aus, als müsse er sich gleich übergeben.
»Das werde ich dir dann noch sagen. Zuerst musst du einen Lebenden auswählen.«
»Schieß los.«
Ohne Finger griff Theo zu einem Feuerzeug, um sich eine frische Zigarette anzuzünden. Er hatte keine Lunge mehr und konnte somit rauchen, so viel er wollte.
»Mit dem Rauchen ist dann Schluss, das ist dir doch klar, nicht?«, sagte Jimmy.
»Nein. Das ist mir nicht klar.«
»Wenn du in der nächsten Phase angelangt bist.«
»Dann bleibe ich hier«, sagte Theo barsch.
»Bist du dir sicher?«
»Nein.«
»Möchtest du selbst auswählen, oder soll ich dir jemanden zuweisen?«
»Selbst auswählen natürlich«, sagte Theo.
»Der erste Name ist Ayaan Hirsi Ali.«
Theo sah ihn ungläubig an. Was für ein Spielchen spielten sie hier mit ihm? Sein Tod hatte diese Frau schlagartig zu einer internationalen Berühmtheit gemacht. Zuerst hatte sie in den Niederlanden ihr abenteuerliches Theaterstück aufgeführt, und dann war sie in Washington und New York in den Wandelgängen herumgeflattert, führte das Leben einer Jetsetterin und hatte Liebhaber, während Theo nur noch im Tod existierte, noch dazu körperlos. Angeblich war sie Mutter geworden.
»Ihr seid grausam«, sagte er.
»Der zweite Name ist Leon de Winter.«
»Niemals«, sagte Theo.
Ein Scharlatan. De Winter war ihm auf den ersten Blick zuwider gewesen. An die zwanzig Jahre lang hatte er gegen ihn gehetzt. In beleidigenden Kolumnen, die de Winter psychisch fertigmachen und zum Schweigen bringen sollten. Als Theo zur offiziellen Feststellung der Todesursache auf einem Seziertisch geöffnet wurde, hatte de Winter scheinheilig in einer Zeitung geschrieben, das hätte er ihm nicht gewünscht. Dabei wusste Theo ganz genau, dass de Winter im Grunde seines Herzens darüber frohlockte. Mit dem kommunizieren? Lieber in die Hölle!
»Und der Dritte?«, fragte Theo. Er trank einen Schluck. Er nahm einen Zug aus seiner Zigarette.
»Der Dritte ist dein Mörder. Mohamed Boujeri.«
Theo starrte ihn mit offenem Mund an.
»Keiner von den dreien«,
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