Ein gutes Herz (German Edition)
murmelte er.
»Das sind die drei, unter denen du auswählen darfst«, sagte Jimmy und trank auch einen Schluck.
»Warum wollt ihr mich quälen?«
»Hätten wir die Mutter deines Kindes zur Auswahl stellen sollen? Oder einen der unzähligen, unzähligen Namenlosen, die stumm unter deinen Schmähbriefen und Verwünschungen gelitten haben?«
Theo wusste nichts zu erwidern. Die Würde anderer war ihm immer schnuppe gewesen – wer nicht stark genug war, aus seinen giftigen Bechern zu trinken, hatte keine Daseinsberechtigung. Er hatte etlichen Leutchen persönliche Briefe mit verbalen Mordanschlägen geschickt. Er hatte in der Öffentlichkeit gepöbelt, aber auch privat. Sie mussten sich ihm beugen. Er betrieb seinen Briefterror nachts, wenn er betrunken war. Manchmal schämte er sich dafür, wenn er seinen Rausch ausgeschlafen hatte. Manchmal versuchte er, den Brief zurückzuholen, oder empfahl dem Adressaten, den Brief ungelesen zu zerreißen. Meistens freilich erreichte der Brief sein Ziel.
»Diese Kandidaten gefallen dir nicht, hm?«, sagte Jimmy. »Soll ich dir also jemanden zuweisen?«
Bevor Theo antworten konnte, kam ein Mann herein, Ernie, der wie der Franziskaner Jimmy Davis in Schwarz gekleidet war, ganz im Stil des Personals eines mondänen Hotels mit gelangweilten, koksenden Gästen. Auch er war Amerikaner, allerdings rotblond.
»Hast du mal einen Moment, Jimmy?«
Jimmy deutete mit dem Zeigefinger auf Theo, als richte er den Lauf einer Waffe auf ihn, und sagte: »Nicht weggehen.« Als wenn das möglich gewesen wäre.
Er verließ das Zimmer, und Theo hörte ihr Geflüster auf dem Gang.
Ernie sagte: »Jimmy, du wirst kurz in der Aufnahme gebraucht.«
»Wer ist reingekommen?«
»Tut mir leid, dir das sagen zu müssen, Jim. Es ist deine Schwester.«
»Welche?«, fragte Jimmy, ohne das leiseste Schwanken der Stimme, ohne Gefühlsregung, als habe er schon damit gerechnet.
»Die ältere, Janet«, hörte Theo Ernie sagen.
Es blieb kurz still.
»Janet? Wenn, dann hätte ich Elly erwartet. Sie ist seit Jahren süchtig. Was ist Janet zugestoßen?«
»Ein Querschläger hat sie getroffen. Schießerei auf offener Straße zwischen verschiedenen Gangs. In den Kopf, sie war sofort tot.«
Jimmy fragte: »Wie geht es ihr?«
»Sie ist ziemlich mit den Nerven runter. Sie hinterlässt ja zwei kleine Kinder. Weiß nicht, wer für sie sorgen soll.«
Es blieb wieder einige Sekunden lang still. Dann steckte Jimmy den Kopf zur Tür herein.
»Ein Notfall, Theo. Ich komme später wieder, okay? Denk schon mal über deinen Kommunikationspartner nach. Die drei, die ich dir gerade vorgeschlagen habe, wolltest du nicht. Gut. Ich weise dir also einen anderen zu. Er heißt Max Kohn. Ein Landsmann von dir. Ehemaliger Drogenboss.«
Theo hob sein Glas und nickte. Zumindest kam es ihm so vor, als nicke er, denn im Grunde war er ja nur Kopf. Er zündete sich die nächste Zigarette an. Max Kohn? Er war ihm mal in der Amsterdamer Kneipen- und Clubszene begegnet. Gerissener, schwer zu fassender Bursche aus der Unterwelt. Was hatte Jimmy Davis mit Max Kohn?
2
MAX
Erst der vierte Taxifahrer, den Max Kohn anhielt, erklärte sich bereit, ihn nach South Central Los Angeles zu bringen. Die ersten beiden hatten sofort abgelehnt, der dritte überlegte es sich nach dreißig Metern anders, aber dieser vierte war für das in Aussicht gestellte Trinkgeld von fünfzig Dollar empfänglich.
Kohn war am Tag zuvor aus Phoenix, Arizona, gekommen. Nach einem Jahr im rauhen Klima von Rochester, Minnesota, wo man ihm ein kostbares neues Herz in den Brustkorb montiert hatte, wohnte er nun seit kurzem in der Wüste des Südwestens.
Kohn liebte die trockene Luft der amerikanischen Wüsten. Er hatte jahrelang Striplokale und Callgirl-Agenturen in Las Vegas betrieben und wusste die reinigende Wirkung von Trockenheit und alles durchdringender Hitze zu schätzen. Sein Geld war auf Konten in den amerikanischen Bundesstaaten mit der geringsten Besteuerung deponiert, und so hatte er sich unweit der Mayo Clinic in Scottsdale ein geräumiges Haus auf ockerfarbener Erde kaufen können. In der Mayo Clinic in Rochester war die Transplantation vorgenommen worden, und als sich nach einem Jahr erwiesen hatte, dass sich das Herz bei ihm vollkommen zu Hause fühlte, hatte er Abschied von seinen Kardiologen genommen und den Umzug gewagt.
Der Flug nach Los Angeles dauerte nur anderthalb Stunden. Kohn stieg in einem Hotel am immer belebten Sunset Strip ab. In den
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