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Ein gutes Herz (German Edition)

Ein gutes Herz (German Edition)

Titel: Ein gutes Herz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leon de Winter
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Bürgermeister aus waren. Wenn er einen Öffentlichkeitstermin hatte, eine Premiere oder eine Ausstellungseröffnung oder dergleichen, waren hinterher immer Frauen da, die dem Bürgermeister ihre sexuelle Gunst bekunden wollten. Dass er verheiratet war, machte ihn offenbar umso begehrenswerter, und für diese Frauen gab es nichts Aufregenderes als die Vorstellung, dass sie seine, wie sie meinten, mühsam unterdrückten Triebe beflügeln konnten. Das Leben war ein grausamer Zirkus.
    Sie hielten vor dem Polizeipräsidium, und zwei Polizisten, die draußen bereitgestanden hatten, gingen Cohen schnellen Schrittes zum Unifizierten Kommandoraum, kurz UKR , voran, der sich im Untergeschoss befand, im betonverstärkten Sicherheitsbereich, hinter Stahltüren, die schweren Explosionen standhalten konnten. Noch eine Etage tiefer befanden sich Schutzräume, in denen man sogar einen atomaren Angriff überleben konnte. Cohen war schleierhaft, wer so etwas überhaupt überleben wollte. Eine Gasexplosion unter der Oper war schon schlimm genug.
    Marijke Hogeveld war mit einem Internisten verheiratet gewesen, der ganze Abteilungen seines Krankenhauses gebumst hatte, wann auch immer sich ihm die Gelegenheit dazu bot, egal, ob es sich um Personal oder Patienten handelte, Hauptsache weiblich. Problematisch wurde es für ihn, als er von einigen ehemaligen Patientinnen verklagt wurde. Carel van Veen verlor seine Stelle und seine Ehefrau. Vor fünf Jahren waren sie geschieden worden. Marijke hatte wieder ihren Mädchennamen angenommen, ihren Mann aber noch einmal im Jahr in seinem Häuschen in der Ardèche getroffen, wo er sich jeden Tag ins Delirium soff und zwischendrin farbenfrohe abstrakte Bilder malte, mit denen er zu ihrer Verblüffung Erfolg bei vermögenden Niederländern und Russen hatte, die an der Côte d’Azur modernistische Villen mit großflächigen weißen Wänden besaßen. Marijke hatte einmal ein Buch mit Abbildungen seiner Werke mitgebracht; Carels Künstlerkarriere hatte offenbar die Stufe erreicht, wo sein Werk publiziert wurde, und es war auch gar nicht mal schlecht. Trotz allem – dem Verrat, der Schande – war sie stolz auf Carel. Cohen schätzte Menschen, die loyal waren, und die Art, wie sie das Buch durchgeblättert hatte, hatte ihn gerührt. Sie liebte Carel noch immer. Und Cohen liebte seine Frau. Aber diese Gefühle standen einem Verhältnis nicht im Weg. In der jetzigen Phase seines Lebens legte er Wert auf die Gesellschaft einer Frau wie Marijke. Sandra, ihre Sekretärin, hatte sich noch nicht wieder gemeldet.
    Im UKR war jetzt ihr Nervenzentrum. Ein Dutzend Polizisten, alle in weißem Diensthemd, bedienten mehrere Reihen von Computern. Eine andere Gruppe war noch damit beschäftigt, weitere Geräte zu installieren. Der UKR war vollbesetzt, und es wurde alles dafür getan, dass von diesem Raum aus sämtliche Operationen gelenkt werden konnten. Cohen ließ sich anschließend in den ersten Stock bringen, in den sogenannten Büstensaal, den Steinreliefs der früheren Polizeipräsidenten zierten. Dort hing ein zentraler Übersichtsmonitor, auf dem, als Cohen eintrat, gerade ein Blick von oben auf die Stopera zu sehen war, offenbar aus einem Polizeihubschrauber aufgenommen. Unter Dutzenden von Halogenlampen an der Decke stand mitten im Raum ein grauer Sitzungstisch mit etwa zwanzig Stühlen. Die Führungsetage der Polizei war anwesend, Vertreter von Feuerwehr und Rettungsdiensten, und Cohen erkannte auch den Verbindungsmann vom AIVD , der ihm viel zu fest die Hand drückte. Danach stellten sich noch drei Unbekannte von Infrastrukturabteilungen der Stadt vor sowie ein hohes Tier vom Technischen Management für Opernhaus, Rathaus und Amtswohnung des Bürgermeisters. Und natürlich war auch der Oberstaatsanwalt da, mit zwei Mitarbeitern. Das war das Fünfeck. Das Krisenteam.
    Der Polizeipräsident Bernard Welten wies einen Stuhl in der Mitte des Tisches an, und Cohen nahm Platz. Ein Notizblock war da, ein Kugelschreiber, ein Glas Wasser. Der Büstensaal hatte Fenster. Man blickte auf den Innengarten des Polizeipräsidiums hinaus.
    Welten fasste die Fakten zusammen, die ihm bis dato zum jeweiligen Zeitpunkt bekannt waren: der Eingang der ersten Meldung, das Eintreffen der ersten Beamten vor Ort, der Generalalarm, den er ausgelöst habe, das Eintreffen der verschiedenen Rettungsdienste, die ersten Berichte von Augenzeugen und Opfern. Die Zufahrtswege zu den Krankenhäusern, also zu OLVG und AMC , seien für den

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