Ein Hauch von Kirschblüten
dichter an ihn, hoffte, seine Wärme gäbe Tom ein gutes Gefühl.
„Eines Tages begegnete mir in
einer Bar ein Mann. Ich sah ihn an und in mir brach etwas auf. In meinem Bauch
tanzten Schmetterlinge. Dieses heiße, quälende Verlangen war das Schönste, was
ich je empfunden hatte. In mir war ein einziger Wunsch: Er sollte mein sein. Zu
ihm wollte ich gehören.
Wir verbrachten die Nacht
miteinander, dann war er verschwunden – wie alle Menschen, die mir etwas
bedeuteten, verschwanden.
Ich lebe mein Leben, lächele in
die Kameras, vermehre das Familienvermögen, und fühle mich tot.“ Tom holte tief
Luft und schwieg.
Jan war kaum in der Lage, etwas
zu sagen. Er schmiegte sich an Toms Rücken und unterdrückte die Tränen. Was für
ein einsames Leben!
„Warum erzähle ich dir das
alles?“, hörte er Tom fragen. „Es gib niemanden, der davon weiß. Kein Mensch
kennt mich wirklich. Es interessiert auch niemanden.“
„Mich ...“ Jan räusperte
sich, schluckte den Kloß in seinem Hals hinunter. „Mich interessiert es. Ich
will den wahren Tom kennenlernen.“
Tom drehte sich um. Diese
Traurigkeit, die Jan schon in der Jazz-Bar gesehen hatte, umgab ihn. Jetzt
konnte er sie verstehen. Trotz des sanften Lächelns um Toms Lippen war sie da,
saß tief in dessen Seele.
„Ich habe oft an dich gedacht.
Diese Nacht ... bei keinem Mann habe ich je so viel gefühlt. Ich möchte zu
dir gehören, Jan“, flüsterte Tom.
Jans Herz begann zu rasen, als er
begriff, dass Tom von ihm, von ihrer Nacht in Tokio, gesprochen hatte. Er hob
die Hände an Toms Wangen, streichelte ihn, versuchte ihm zu zeigen, dass er
angekommen war.
„Das vergangene halbe Jahr war
für mich die Hölle. Es verging kein Tag, an dem ich nicht an dich gedacht habe.
Mein Herz gehört bereits dir.“
Jan sah ein verräterisches
Glitzern in Toms Augen. Waren das Tränen? Mit einem tiefen Seufzen umarmte Tom
ihn, vergrub das Gesicht an seinem Hals und schwieg. Jan spürte, wie er tief
einatmete, als wolle er ihn inhalieren. Zusehens entspannte sich Tom, wurde
weich in seinen Armen.
Sie standen einfach da, hielten
und spürten einander. Es gab nichts Schöneres auf der Welt.
Gegensätzliches
Jan erwachte träge. Die wohlige
Wärme des Bettes umgab ihn. Er wollte nicht aufstehen, nicht in die Realität
zurück. Er hatte geträumt, Tom wiedergefunden zu haben. Sie hatten sich
geliebt, geredet, sich gehalten. Tom hatte in der Küche gestanden, ihm von seinem
Leben ...
Mit einem Ruck drehte Jan sich
um. Tom lag wahrhaftig neben ihm. Er war wach und sah ihn an. „Guten Morgen!“
Jan nahm Tom in die Arme, drückte
ihn fest an sich und atmete dessen schlafwarmen Duft ein. Erst Minuten später
flüsterte er: „Für einen Moment glaubte ich, das alles wäre ein Traum gewesen.“
„Ich bin noch da, und so schnell
werde ich auch nicht verschwinden.“
Jan hob den Kopf, grinste und
senkte seine Lippen auf Toms. Schnell wandelte sich die Zärtlichkeit in Gier.
Dieser Mann weckte seine dunkelsten Begierden. Überall wollte er ihn spüren, in
ihm versinken, sich mit ihm gemeinsam auflösen.
Abrupt wurde seine Lust durch ein
schmerzhaftes Aufstöhnen und das Klingeln des Weckers gestoppt. Tom keuchte
unter ihm. „Scheiße! Wenn meine Rippen bisher nicht gebrochen waren, sind sie
es jetzt.“
„Entschuldige!“, brachte Jan
verlegen über die Lippen, rollte sich auf die andere Seite des Bettes und
schaltete den Wecker aus.
Sie grinsten einander an. Wie aus
einem Mund sagten sie: „Es ist schön, an deiner Seite aufzuwachen.“ Sie
lachten, und Jan stand widerwillig auf.
Als er das Bad verließ, duftete
es nach Kaffee. Tom saß in der Küche am Tresen, mit T-Shirt und Pants
bekleidet. Jan stellte sich zwischen dessen geöffnete Beine, legte eine Hand in
Toms Nacken und zog ihn zu sich. „An diesen Anblick könnte ich mich gewöhnen“,
flüsterte er, bevor er Tom einen sanften Kuss schenkte.
„Wann kommst du nach Hause?“,
fragte dieser und reichte ihm einen Kaffee.
„Gegen halb sieben.“
„Und ich darf wirklich die nächsten
Tage bei dir bleiben?“
Jan musste schmunzeln. Tom wirkte
plötzlich unsicher. „Von mir aus kannst du gleich einziehen. Ich will keine
Nacht mehr ohne dich verbringen.“
Tom lächelte, doch Jan glaubte,
einen Schatten über sein Gesicht huschen zu sehen. Ihm war klar, nach allem,
was Tom ihm gestern erzählt hatte, dass sie einen langen Weg vor sich hatten.
Er war bereit, ihn zu gehen.
„Ich habe dir
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