Ein Hauch von Schnee und Asche
sie den Mut, aufzublicken und Jamie in die Augen zu sehen.
»Ich wusste, dass Ihr das nie zulassen würdet, Sir, und habe mir alle Mühe gegeben, ihn nicht zu beachten. Und wenn mir seine Worte zu nahe gingen, habe ich ihm gesagt, dass er lange tot sein würde, bevor sein Bruder erführe, wo er war. Aber dann ist der gemeine Wicht entflohen – und ich habe wirklich keine Ahnung, wie er das gemacht hat, denn ich hätte schwören können, dass er nicht in der Lage war, auch nur aufzustehen, geschweige denn, so weit zu kommen – aber er hat es getan, und er hat Eure Frau um Gnade angefleht, und sie hat sich seiner erbarmt. Ich hätte den alten Verbrecher persönlich weggeschleift, aber sie hat es nicht zugelassen -« An dieser Stelle warf sie mir einen kurzen, vorwurfsvollen Blick zu, richtete ihre Augen jedoch gleich wieder flehend auf Jamie.
»Und sie hat sich um seine Verletzungen gekümmert, großzügig wie sie ist, Sir – und ich konnte es ihrem Gesicht ansehen, dass ihr klar wurde, dass
sie es nicht zulassen würde, dass er umkäme, nachdem sie ihn behandelt hatte. Und er hat es auch gesehen, der Mistkerl, und als sie ins Freie gegangen ist, hat er mich verhöhnt und gesagt, jetzt sei er gerettet; er hätte sie dazu gebracht, ihn zu behandeln, und jetzt würde sie nie zulassen, dass er getötet würde, und sobald er frei wäre, würde er dafür sorgen, dass eine ganze Schar von Männern wie die Rache selbst über uns herfiele, und dann …« Sie schloss die Augen, schwankte kurz und drückte eine Hand an ihre Brust.
»Ich konnte nicht dagegen an, Sir«, sagte sie schlicht. »Ich konnte es einfach nicht.«
Jamie hatte ihr aufmerksam zugehört, seine Miene wie Donner. An diesem Punkt sah er mich scharf an – und las an meinen geschundenen Zügen offensichtlich die Bestätigung ihrer Worte ab. Er presste die Lippen fest zusammen.
»Geht heim«, sagte er zu Mrs. Bug. »Sagt Eurem Mann, was Ihr getan habt, und schickt ihn zu mir.«
Dann machte er auf dem Absatz kehrt und steuerte auf sein Studierzimmer zu. Ohne mich anzusehen, erhob sich Mrs. Bug umständlich und tapste wie eine Blinde davon.
»Du hattest Recht. Es tut mir Leid.« Ich stand steif in der Tür des Studierzimmers und lehnte mich mit der Hand an den Rahmen.
Jamie saß an seinem Schreibtisch, die Ellbogen aufgestützt, den Kopf in den Händen, doch bei diesen Worten sah er blinzelnd auf.
»Habe ich dir das nicht verboten, Sassenach?«, sagte er mit einem schiefen Lächeln. Dann wanderte sein Blick an mir entlang, und ein Ausdruck der Sorge regte sich in seinem Gesicht.
»Himmel, du siehst aus, als würdest du gleich umfallen, Claire«, sagte er und stand hastig auf. »Komm und setz dich.«
Er dirigierte mich auf seinen Stuhl und blieb über mir stehen.
»Ich würde ja Mrs. Bug bitten, dir etwas zu bringen«, sagte er, »aber da ich sie gerade fortgeschickt habe… soll ich dir eine Tasse Tee holen, Sassenach?«
Mir war nach Weinen zumute gewesen, doch stattdessen lachte ich und verdrückte mir die Tränen.
»Wir haben keinen mehr. Mir fehlt nichts. Ich bin nur ziemlich – ziemlich schockiert.«
»Aye, das kann ich mir vorstellen. Du blutest ein bisschen.« Er zog ein zerknittertes Taschentuch aus seiner Tasche, beugte sich vor und betupfte meinen Mund. Seine Stirn war sorgenvoll gerunzelt.
Ich saß still und ließ es geschehen, während ich gegen eine plötzliche Woge der Erschöpfung ankämpfte. Ich wollte mich nur noch hinlegen, einschlafen und nie wieder aufwachen. Und wenn ich doch aufwachte, wollte ich, dass der Tote in meinem Sprechzimmer verschwunden war. Außerdem wollte ich nicht, dass uns das Haus über den Köpfen angezündet wurde.
Aber es ist noch zu früh , dachte ich auf einmal und fand diesen Gedanken seltsam tröstlich, so idiotisch er war.
»Wird das die Situation für dich komplizierter machen?«, fragte ich. Ich kämpfte gegen die Müdigkeit an und versuchte, vernünftig zu denken. »In Bezug auf Richard Brown?«
»Ich weiß es nicht«, räumte er ein. »Ich habe auch schon darüber nachgedacht. Fast wünschte ich, wir wären in Schottland«, sagte er ein wenig reumütig. »Wenn Brown ein Schotte wäre, wüsste ich eher, was er wohl tun würde.«
»Ach wirklich? Sagen wir zum Beispiel, du hättest es mit deinem Onkel Colum zu tun«, schlug ich vor. »Was meinst du, was er tun würde?«
»Versuchen, mich umzubringen und seinen Bruder zurückzubekommen«, erwiderte er prompt. »Wenn er wüsste, dass ich ihn
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