Ein Hauch von Schnee und Asche
aber Mama hat mir… von der Patrouille erzählt, die dich festgenommen hat, Onkel Jamie, und wie sie und Tante Claire ihr gefolgt
sind.« Er grinste mich an, und sein hageres Gesicht verwandelte sich plötzlich, so dass eine Spur des Jungen zu sehen war, der er gewesen war.
»Nun, da war ich auch noch jünger«, sagte ich. »Und mutiger.«
Jamie stieß einen leisen Kehllaut aus, der nach Belustigung klang.
»Sie gehen aber nicht sehr sparsam vor«, sagte er. »Mit ihrem Morden und Brandschatzen, meine ich -«
»Verglichen mit jahrelanger Ausbeutung.« Langsam dämmerte mir, worauf er hinauswollte. Ian war nach der Schlacht von Culloden geboren; er hatte nie eine Milizpatrouille zu Gesicht bekommen, eine jener organisierten Banden, die bewaffnet durch das Land ritten und den Highland-Häuptlingen Schutzgelder für ihre Pächter, ihr Land und Vieh abnahmen – und wenn dieses erpresste Geld nicht bezahlt wurde, Güter und Vieh postwendend selbst an sich nahmen. Ich war einmal einer solchen Watch begegnet. Und ehrlich gesagt hatte ich auch davon gehört, dass sie dann und wann mordeten und brandschatzten – im Allgemeinen jedoch nur, um ein Exempel zu statuieren und die Zusammenarbeit zu verbessern.
Jamie schnaubte. »Nun ja, wie gesagt, ist Brown kein Schotte. Aber Geschäft ist Geschäft, nicht wahr?« Sein Gesicht hatte einen nachdenklichen Ausdruck angenommen, und er lehnte sich ein wenig zurück, die Hände über dem Knie verschränkt. »Wie schnell schaffst du es nach Anidonau Nuya, Ian?«
Nachdem Ian gegangen war, blieben wir noch im Studierzimmer. Wir würden uns um die Situation in meinem Sprechzimmer kümmern müssen, aber ich war noch nicht so weit, mich ihr zu stellen. Abgesehen von der Bemerkung, wie bedauerlich es sei, dass er noch nicht dazu gekommen war, ein Eishaus zu bauen, bezog sich Jamie ebenfalls mit keinem Wort darauf.
»Die arme, alte Mrs. Bug«, sagte ich, als ich mich langsam fing. »Ich hatte keine Ahnung, dass er sie so manipuliert hat. Er muss sie für sehr zimperlich gehalten haben.« Ich lachte kraftlos. » Das war sein Fehler. Sie ist furchtbar stark. Ich war erstaunt.«
Das hätte ich nicht sein sollen; ich hatte Mrs. Bug schon eine Meile mit einer ausgewachsenen Ziege auf der Schulter gehen sehen – aber irgendwie setzt niemand die Kraft, die für den Alltag auf dem Land nötig ist, mit der Fähigkeit zur blinden Mordlust gleich.
»Ich auch«, sagte Jamie. »Nicht, dass sie die Körperkraft hatte, es zu tun, sondern dass sie es gewagt hat, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Warum hat sie es Arch nicht erzählt, wenn sie mir schon nichts gesagt hat?«
»Ich nehme an, es ist so, wie sie es geschildert hat – sie hat gedacht, es stünde ihr nicht zu, etwas zu sagen; du hattest ihr die Aufgabe erteilt, sich um ihn zu kümmern, und sie würde schließlich Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um zu tun, was du verlangst. Ich glaube, dass sie das Gefühl hatte, alles im Griff zu haben. Aber als er dann hier aufgetaucht ist… ist es
mit ihr durchgegangen. So etwas passiert; ich habe es nicht zum ersten Mal erlebt.«
»Ich auch nicht«, murmelte er. Er hatte die Stirn leicht gerunzelt, so dass sich die Falte zwischen seinen Augenbrauen vertiefte, und ich fragte mich, an welchen brutalen Zwischenfall er sich wohl gerade erinnerte. »Aber ich hätte nicht gedacht…«
Arch Bug kam so leise herein, dass ich ihn nicht hörte; ich begriff erst, dass er da war, als ich Jamie aufblicken und erstarren sah. Ich fuhr herum und sah die Axt in Archs Hand. Ich öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch er schritt auf Jamie zu, ohne Notiz von seiner Umgebung zu nehmen. Für ihn gab es eindeutig niemanden in diesem Raum außer Jamie.
Er erreichte den Schreibtisch und legte die Axt sanft darauf.
»Mein Leben für das Ihre, mein Häuptling«, sagte er leise auf Gälisch. Dann trat er zurück und kniete gesenkten Kopfes nieder. Er hatte sein weiches, weißes Haar zu einem schmalen Zopf geflochten und diesen hochgebunden, so dass sein Nacken bloß lag. Er war walnussbraun und vom Wetter gezeichnet, aber oberhalb seines weißen Kragens noch breit und muskulös.
Ein leises Geräusch an der Tür ließ mich von der Szene herumfahren, so faszinierend diese war. Mrs. Bug war da. Sie klammerte sich Halt suchend an den Türpfosten und hatte dies offensichtlich auch nötig. Ihre Haube saß schief, und ihr eisengraues Haar klebte in verschwitzten Strähnen in ihrem Gesicht, das die Farbe
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