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Ein Hauch von Schnee und Asche

Ein Hauch von Schnee und Asche

Titel: Ein Hauch von Schnee und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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– also habt Ihr sie dann doch nicht besucht?«
    Er schüttelte den Kopf, und ich sah, wie sich plötzlich eine Träne auf dem staubigen Leinenstoff seiner Hose ausbreitete.
    »Nein, Ma’am«, sagte er mit halb erstickter Stimme. »Es ging nicht. Sie war tot.«

    »Oje«, sagte ich leise. »Oh, das tut mir so Leid.« Die Tränen fielen ihm auf die Knie und erschienen als Flecken auf dem Tuch, und seine Schultern bebten, aber er machte kein Geräusch.
    Ich nahm ihn in die Arme und drückte ihn an meine Schulter. Sein Haar war weich, seine Haut glühte an meinem Hals. Ich wusste nicht, wie ich mit seinem Schmerz umgehen sollte; er war zu alt, um ihn mit bloßen Berührungen zu trösten, zu jung – vielleicht – um Linderung in Worten zu finden. Im Moment konnte ich nichts anderes tun, als ihn fest zu halten.
    Doch er legte die Arme um meine Taille und klammerte sich auch dann noch einige Minuten an mich, als er ausgeweint hatte. Ich hielt ihn wortlos fest, klopfte ihm sacht auf den Rücken und hielt die flackernden grünen Schatten des berankten Zauns für den Fall im Auge, dass noch jemand kam und mich im Garten suchte.
    Schließlich seufzte er, ließ los und setzte sich auf. Ich suchte nach einem Taschentuch, fand keins und zog meine Schürze aus, damit er sich das Gesicht abwischen konnte.
    »Ihr braucht doch nicht sofort zu heiraten«, sagte ich, als er sich wieder unter Kontrolle zu haben schien. »Es ist nur recht und billig, dass Ihr etwas Zeit braucht zu – zu heilen. Aber wir können uns eine Ausrede einfallen lassen, um die Hochzeit aufzuschieben; ich werde mit Jamie sprechen -«
    Doch er schüttelte den Kopf, und an die Stelle der Tränen trat ein Ausdruck trauriger Entschlossenheit.
    »Nein, Ma’am«, sagte er leise, aber endgültig. »Ich kann es nicht.«
    »Warum denn nicht?«
    »Myra war eine Hure, Ma’am. Sie ist an der Franzosenkrankheit gestorben.«
    Dann blickte er zu mir auf, und ich sah das Entsetzen unter der Trauer in seinen Augen.
    »Und ich glaube, ich habe sie auch.«
     
    »Seid ihr sicher?« Jamie stellte den Huf ab, den er gerade ausgeschnitten hatte, und warf Manfred einen finsteren Blick zu.
    »Ich bin sicher«, sagte ich genervt. Ich hatte Manfred gebeten, mir das Beweismaterial zu zeigen, kaum gewartet, bis er seine Hose wieder verschlossen hatte, und mich dann auf der Stelle mit ihm auf die Suche nach Jamie gemacht.
    Jamie fixierte Manfred und überlegte sichtlich, was er sagen sollte. Manfred, der nach der doppelten Belastung seiner Beichte und der Untersuchung dunkelrot angelaufen war, wich seinem Basiliskenblick aus und starrte einen geringelten schwarzen Hufspan an, der auf dem Boden lag.
    »Es tut mir so Leid, Sir«, murmelte er. »Ich – ich hatte nicht vor…«
    »Nein, das hat wohl niemand«, schnaubte Jamie. Er atmete tief durch,
und es ging eine Art unterschwelliges Knurren von ihm aus, so dass Manfred den Kopf einzog, der sich wie bei einer Schildkröte in den Schutz seiner Kleidung verkroch.
    »Er hat das Richtige getan«, sagte ich und versuchte, die Situation in das bestmögliche Licht zu rücken. »Jetzt, meine ich – indem er die Wahrheit gesagt hat.«
    Jamie schnaubte verächtlich.
    »Nun, er kann jetzt wohl kaum hingehen und Lizzie mit der Seuche anstecken, oder? Das wäre schlimmer als nur mit einer Hure zu gehen.«
    »Manche Männer würden aber einfach nur den Mund halten und das Beste hoffen.«
    »Aye, das stimmt.« Er musterte Manfred mit zusammengekniffenen Augen und suchte anscheinend nach offenen Anzeichen dafür, dass Manfred ein solcher Schurke war.
    Gideon, der es hasste, wenn man ihm die Hufe ausschnitt, und der demzufolge schlecht gelaunt war, trat heftig mit dem Huf auf und verfehlte nur knapp Jamies Fuß. Er schlug mit dem Kopf und stieß ein Geräusch aus, das wohl in etwa Jamies Knurren entsprach.
    »Aye, nun gut.« Jamie stellte seine funkelnden Blicke in Manfreds Richtung ein und packte Gideon am Halfter. »Geh mit ihm ins Haus, Sassenach. Ich mache hier fertig, und dann holen wir Joseph und sehen, was zu tun ist.«
    »Gut.« Ich zögerte, weil ich mir nicht sicher war, ob ich in Manfreds Beisein etwas sagen sollte. Ich wollte ihm nicht allzu viel Hoffnung machen, bevor ich Gelegenheit gehabt hatte, mir sein Blut unter dem Mikroskop anzusehen.
    Syphilis-Spirochäten waren unverwechselbar, aber ich war mir nicht sicher, ob ich ein Färbemittel hatte, das sie mit einem einfachen Lichtmikroskop sichtbar machen konnte. Und ich hielt es zwar

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