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Ein Hauch von Schnee und Asche

Ein Hauch von Schnee und Asche

Titel: Ein Hauch von Schnee und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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haben?«
    »Oh, aye«, sagte er lächelnd. »Ich entstamme einer langen Ahnenreihe von Verrätern, Dieben und Bastarden, wisst Ihr?«
    Da lachte sie und drängte ihn artig, ihm mehr von seiner finsteren Familiengeschichte zu erzählen – ganz offensichtlich um zu verhindern, dass er ihr weitere Fragen über die ihre stellte.
    Doch dieses »Aber« blieb ihm im Kopf hängen, während sie sich unterhielten – zunehmend zusammenhangloser, je höher sie durch den dunklen, duftenden Wald kletterten.

    Aber. Tom Christie war zwei oder drei Tage nach der Schlacht von Culloden festgenommen worden und hatte die nächsten zehn Jahre im Gefängnis gesessen, bevor man ihn nach Amerika deportierte. Er kannte Malvas genaues Alter nicht, glaubte aber, dass sie ungefähr achtzehn sein musste – auch wenn sie öfter den Eindruck erweckte, älter zu sein, denn sie verhielt sich so erwachsen.
    Also musste es kurz nach Christies Eintreffen in den Kolonien zu ihrer Empfängnis gekommen sein. Kein Wunder, wenn der Mann die erste Gelegenheit ergriffen hatte zu heiraten, nachdem er so lange ohne Frau gelebt hatte. Und dann hatte es sich seine Frau anders überlegt und war gegangen. Christie hatte Roger Mac erzählt, seine Frau sei an der Influenza gestorben – nun, ein Mann hatte seinen Stolz, und Tom Christie hatte mehr davon als die meisten anderen.
    Aber Allan Christie … woher war er gekommen? Der junge Mann war Mitte bis Ende zwanzig; es war möglich, dass er vor Culloden gezeugt worden war. Aber wenn ja – wer war seine Mutter?
    »Ihr und Euer Bruder«, sagte er abrupt, als das Gespräch das nächste Mal stockte. »Hattet Ihr dieselbe Mutter?«
    »Ja, Sir«, sagte sie mit verblüfftem Gesichtsausdruck.
    »Ah«, sagte er und ließ das Thema fallen. Na schön. Dann war Christie also schon vor Culloden verheiratet gewesen. Und dann war die Frau, wer auch immer sie war, in die Kolonien gereist, um ihn zu suchen. Das zeugte von einem gehörigen Maß an Entschlossenheit und Hingabe und ließ ihn Tom Christie mit deutlich gesteigertem Interesse betrachten. Aber diese Hingabe hatte den Strapazen der Kolonien nicht standgehalten – oder die Frau hatte Tom so durch Zeit und Umstände verändert angetroffen, dass ihre Hingabe in Enttäuschung ertrunken war und sie wieder verschwunden war.
    Er konnte sich das gut vorstellen – und verspürte ein unerwartetes Band des Mitgefühls mit Tom Christie. Er erinnerte sich nur zu gut an seine eigenen Gefühle, als Claire zurückgekehrt war und ihn wiedergefunden hatte. Die ungläubige Freude über ihr Hiersein – und die abgrundtiefe Angst, sie könnte den Mann, den sie einmal gekannt hatte, nicht wiedererkennen in dem Mann, der vor ihr stand.
    Schlimmer noch, wenn sie etwas entdeckt hätte, das sie in die Flucht trieb – und obwohl er Claire gut kannte, war er sich immer noch nicht sicher, dass sie geblieben wäre, wenn er ihr sofort von seiner Heirat mit Laoghaire erzählt hätte. Es war sogar gut möglich, dass Claire davongelaufen und für immer verloren gewesen wäre, wenn Laoghaire nicht auf ihn geschossen und ihn beinahe umgebracht hätte. Dieser Gedanke war ein finsterer Schlund, der sich zu seinen Füßen auftat.
    Natürlich wäre er gestorben, wenn sie gegangen wäre, dachte er. Und er hätte nie dieses Land betreten, hätte seine Tochter nie zu Gesicht bekommen
und nie seinen Enkel in den Armen gehalten. Wenn man es recht bedachte, war es vielleicht nicht immer ein Unglück, beinahe umgebracht zu werden – solange man nicht tatsächlich daran starb.
    »Bereitet Euer Arm Euch Schwierigkeiten, Sir?« Er wurde aus seinen Gedanken gerissen und begriff, dass er wie ein Idiot dastand und mit einer Hand die Stelle umklammerte, an der Laoghaires Pistolenkugel seinen Oberarm durchschlagen hatte, und Malva ihn besorgt anblinzelte.
    »Äh, nein«, sagte er hastig und ließ die Hand sinken. »Ein Mückenstich. Die kleinen Viecher sind heute früh unterwegs. Sagt mir -«, er suchte nach einem neutralen Gesprächsthema, »gefällt es Euch hier in den Bergen?«
    Es war zwar eine hirnlose Frage, doch sie schien ernsthaft darüber nachzudenken.
    »Es ist manchmal einsam«, sagte sie und betrachtete den Wald, wo die einfallenden Sonnenstrahlen auf Blättern und Nadeln zersplitterten und die Luft mit einem brüchigen grünen Licht erfüllten. »Aber es ist …«, sie suchte nach einem Wort, »hübsch«, vollendete sie und lächelte ihn schwach an, als wollte sie einräumen, wie unzulänglich dieses Wort

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