Ein Hauch von Schnee und Asche
nächsten… Ich verzählte mich, doch das spielte keine Rolle; ich nahm den Pulsschlag in mich auf und spürte, wie der meine im selben Rhythmus zu schlagen begann, und er war normal und stabil.
Seine Atmung war gut. Der kleine Bauch hob und senkte sich unter meiner Hand, und ich konnte spüren, wie sich seine Muskeln mit jeder Sekunde
mehr entspannten, bis sich sein ganzer Bauch schlaff und wackelig anfühlte und sich seine vorstehenden Rippen bei jedem Atemzug weit darüber erhoben. Ich hatte plötzlich das Gefühl, meine Hand direkt durch seine Haut schieben und den geschwollenen Appendix berühren zu können, konnte ihn vor meinem inneren Auge boshaft in der dunklen Sicherheit seiner versiegelten Welt pulsieren sehen. Es war Zeit.
Mrs. McCallum stieß ein leises Geräusch aus, als ich das Skalpell ergriff, ein lauteres, als ich es in die helle Haut drückte, die noch feucht glänzte, weil ich sie mit Alkohol abgewischt hatte, wie ein Fischbauch, der unter der Klinge nachgibt, wenn man ihn ausnehmen will.
Seine Haut öffnete sich widerstandslos, und wie von Zauberhand quoll Blut auf, das aus dem Nichts zu kommen schien. Er hatte fast kein Fett darunter; ich stieß sofort auf Muskeln, dunkelrot und elastisch. Mit mir waren noch andere Menschen im Zimmer; ich spürte sie vage. Doch ich hatte keine Aufmerksamkeit für sie übrig. All meine Sinne waren auf den kleinen Körper unter meinen Händen konzentriert. Doch es stand jemand neben mir – Brianna?
»Gib mir einen Retraktor – ja, das da.« Ja, es war Brianna; eine langfingrige Hand, mit Desinfektionsmittel befeuchtet, ergriff das klauenförmige Instrument und drückte es mir in die wartende linke Hand. Ich vermisste die Dienste einer geschulten OP-Schwester, aber wir würden schon zurechtkommen.
»Halt ihn fest, genau da.« Ich schob die Klinge zwischen die Muskelfasern, die sich leicht trennen ließen, und schnitt vorsichtig durch das dicke, sanft glänzende Bauchfell.
Seine Innereien waren warm und feucht und umschlossen saugend meine beiden tastenden Finger. Weiche, glitschige Därme, die kleine halbfeste Klumpen enthielten, die ich durch die Wände spüren konnte, Knochen, die meine Finger streiften – er war so klein, ich hatte nicht viel Raum, um mich vorzutasten. Ich hatte die Augen geschlossen und konzentrierte mich allein auf meinen Tastsinn. Der Blinddarm musste direkt unter meinen Fingern sein, hier konnte ich die Rundung des Dickdarms spüren, reglos, aber lebendig wie eine schlafende Schlange. Dahinter? Darunter? Ich tastete vorsichtig weiter, öffnete die Augen und warf einen scharfen Blick auf die Wunde. Er blutete nicht sehr stark, doch die Wunde schwamm trotzdem. Sollte ich mir die Zeit nehmen, die kleinen Gefäße zu kauterisieren? Ich warf einen Blick auf Malva: Sie runzelte konzentriert die Stirn und bewegte lautlos zählend die Lippen – und sie hatte eine Hand zur Kontrolle auf der Halsschlagader liegen.
»Kautereisen – ein kleines.« Ich hielt einen Moment inne; angesichts der Brennbarkeit des Äthers hatte ich mein Kohlebecken auf der anderen Flurseite in Jamies Studierzimmer gestellt. Doch Brianna war schnell; ich hielt es in wenigen Sekunden in der Hand. Ein Rauchfaden stieg von seinem
Bauch auf, und das Brutzeln angesengten Fleisches vermischte sich mit dem warmen Blutgeruch. Mrs. McCallums Augen wurde immer größer.
Ich tupfte das Blut mit einer Hand voll Baumwolle ab und sah erneut hin – meine Finger hielten nach wie vor das fest, was ich dachte … gut.
»Gut«, sagte ich triumphierend. »Hab dich.« Ganz vorsichtig hakte ich meinen Finger unter der Krümmung des Blinddarms ein und zog ein Stück davon durch die Wunde nach oben. Der entzündete Wurmfortsatz stand ab wie ein aggressiver fetter Wurm, von der Entzündung beinahe lila gefärbt.
»Faden.«
Jetzt hatte ich ihn. Ich konnte die Membran an der Seite des Fortsatzes sehen und die Blutgefäße, die ihn speisten. Diese musste ich zuerst abbinden; dann konnte ich den Appendix selbst abbinden und abtrennen. Schwierig nur, weil alles so klein war, aber kein echtes Problem.
Es war so still im Zimmer, dass ich das leise Zischen und Prasseln der Holzkohle in dem Kohlebecken auf der anderen Flurseite hören konnte. Der Schweiß rann mir hinter den Ohren und zwischen den Brüsten hinunter, und mir wurde dumpf bewusst, dass ich die Zähne in meine Unterlippe gebohrt hatte.
»Zange.« Ich zog die Schlaufe fest zu, und drückte den abgebundenen Stumpf des
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