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Ein Hauch von Schnee und Asche

Ein Hauch von Schnee und Asche

Titel: Ein Hauch von Schnee und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Blut, bewegte sich aber genug, um mir die Nackenhaare zu heben und die Kerzenflamme wild schwanken zu lassen. Sie legte sich schief und flackerte, als wollte sie ausgehen, und der Gouverneur streckte rasch die Hand aus, um sie zu schützen.
    Der Windstoß ging vorbei, und die Luft wurde wieder ruhig, bis auf das Zirpen der Grillen im Freien. Der Gouverneur schien seine ganze Aufmerksamkeit auf das Papier vor sich gerichtet zu haben, doch plötzlich wandte er scharf den Kopf, als hätte er etwas an der offenen Tür vorbeihuschen sehen.
    Er sah einen Moment hin, dann blinzelte er, rieb sich die Augen und richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf das Papier. Doch er konnte sich nicht darauf konzentrieren. Wieder sah er zur leeren Tür – und ich musste seiner Blickrichtung einfach folgen -, dann wieder zurück und blinzelte.
    »Habt Ihr… jemanden vorbeigehen sehen, Mrs. Fraser?«, fragte er.
    »Nein, Sir«, sagte ich und schluckte tapfer ein Gähnen herunter.
    »Ah.« Er machte einen irgendwie enttäuschten Eindruck und griff nach seinem Gänsekiel, schrieb aber nichts, sondern hielt ihn nur in den Fingern, als hätte er seine Existenz vergessen.
    »Habt Ihr denn jemanden erwartet, Eure Exzellenz?«, fragte ich höflich, und er fuhr mit dem Kopf auf, überrascht, weil er direkt angesprochen wurde.
    »Oh. Nein. Das heißt...« Seine Stimme erstarb, und er sah noch einmal zu der Tür, die zur Rückseite des Hauses führte.
    »Mein Sohn«, sagte er. »Unser lieber Sam. Er – ist hier gestorben, wisst Ihr – Ende letzten Jahres. Er war erst acht. Manchmal … manchmal glaube ich, ich sehe ihn«, schloss er leise und beugte den Kopf mit zusammengepressten Lippen wieder über sein Papier.

    Ich machte eine impulsive Bewegung, um seine Hand zu berühren, doch seine verkniffene Miene hielt mich davon ab.
    »Das tut mir Leid«, sagte ich stattdessen leise. Er schwieg, aber nickte kurz zur Bestätigung, ohne den Kopf zu heben. Er presste die Lippen noch fester aufeinander und befasste sich erneut mit seiner Schreibarbeit. Ich folgte seinem Beispiel.
    Ein wenig später schlug die Uhr erst die volle Stunde, dann zwei. Es war ein sanftes, liebliches Klingeln, und der Gouverneur hielt inne, um zuzuhören, den Blick in die Ferne gerichtet.
    »So spät«, sagte er, als der letzte Glockenschlag verebbte. »Ich habe Euch unerträglich lange wach gehalten, Mrs. Fraser. Verzeiht mir.« Er wies mich mit einer Geste an, die Papiere, an denen ich arbeitete, liegen zu lassen, und ich erhob mich schmerzhaft steif vom langen Sitzen.
    Ich schüttelte meine Röcke einigermaßen zurecht und wandte mich zum Gehen. Erst in diesem Moment wurde mir klar, dass er keine Anstalten gemacht hatte, seine eigenen Schreibwerkzeuge beiseite zu legen.
    »Ihr solltet besser auch zu Bett gehen«, sagte ich zu ihm, als ich mich an der Tür umwandte und stehen blieb.
    Der Palast war still. Selbst die Grillen waren verstummt, und nur das leise Schnarchen eines Soldaten in der Eingangshalle störte das Schweigen.
    »Ja«, sagte er und lächelte mich müde an. »Bald.« Er verlagerte das Gewicht auf die andere Pobacke, hob seinen Federkiel und beugte den Kopf weiter über die Papiere.
     
    Am Morgen weckte mich niemand, und die Sonne stand schon hoch, als ich mich von selbst regte. Während ich der Stille lauschte, bekam ich im ersten Moment Angst, alle Bewohner hätten sich in der Nacht davongemacht, mich eingesperrt und dem Hungertod überlassen. Ich erhob mich hastig und sah aus dem Fenster. Die rot berockten Soldaten patrouillierten wie üblich auf dem Gelände. Außerhalb konnte ich kleine Gruppen von Städtern sehen, die zu zweit und dritt vorbeischlenderten, manchmal aber auch stehen blieben, um den Palast anzustarren.
    Dann begann ich, eine Etage tiefer leises Rumpeln und andere Haushaltsgeräusche zu hören, und fühlte mich erleichtert; ich war nicht von allen verlassen. Allerdings hatte ich extremen Hunger, als endlich der Butler kam, um mich hinauszulassen.
    Er brachte mich in Mrs. Martins Schlafzimmer, das jedoch zu meiner Überraschung leer war. Dort ließ er mich allein, und kurz darauf trat Merilee ein, eine der Küchensklavinnen, die es sehr nervös zu machen schien, sich in diesem unvertrauten Teil des Hauses aufzuhalten.
    »Was geht denn hier vor?«, fragte ich. »Weißt du vielleicht, wo Mrs. Martin ist?«
    »Nun, das weiß ich«, sagte sie in einem skeptischen Ton, der andeutete,
dass dies aber auch das Einzige war, was sie mit Sicherheit

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