Ein Hauch von Seide - Roman
Herz siegte, pochte in einer Mischung aus Schock, Verrat und Schmerz heftig gegen ihre Rippen. John, der hinter Janey ins Zimmer gekommen war, schaute von Janeys weißem Gesicht zum Bett und erkannte sofort, was los war. Instinktiv trat er zwischen Janey und das Bett, doch es war zu spät. Aufgeschreckt von ihrem Eintreten setzte die junge Frau sich jetzt auf und zog die Tagesdecke um sich.
»Cindy!« Janeys Lippen formten den Namen ihrer Partnerin, und sie hörte, wie er in ihrem Kopf explodierte.
Charlie war jetzt ebenfalls wach, die beiden drängten sich in dem unordentlichen Bett aneinander. Charlie blickte finster und trotzig drein, wie es seine Art war, wenn er etwas falsch gemacht hatte und es nicht zugeben wollte. Cindy dagegen wirkte fast belustigt. Keiner von ihnen zeigte die geringste Spur von Reue.
»Komm, Janey, ich bringe dich nach Hause.«
Sie hatte fast vergessen, dass John da war, doch jetzt war sie unglaublich erleichtert, dass er die Sache in die Hand nahm. Er schob sie nach draußen in den Sonnenschein des frühen Nachmittags und tätschelte ihr dabei zärtlich den Rücken.
Vage war ihr bewusst, dass er ein Taxi herbeigewunken hatte und ihr hineinhalf, doch es war, als wäre sie davon abgetrennt, als wäre ein Teil von ihr gar nicht anwesend, sondern wäre in dem möblierten Zimmer in der Edgware Road zurückgeblieben. Bilder blitzten durch ihren Kopf. Charlie hatte im Schlaf den Arm um Cindy gelegt und sich ihr zugewandt gehabt, das hatte er bei ihr noch nie gemacht. Sie hatte noch nie die ganze Nacht mit ihm verbracht. Cindy hatte so schön ausgesehen, und das gedämpfte Licht hatte ihrer Haut ein weiches, schimmerndes Glühen verliehen. Sie hatte die schweren Lider einer Frau, die guten Sex gehabt hatte. Schmerz durchzuckte Janey wie ein Messer, als sie überlegte, wie lange sie und Charlie nicht mehr miteinander geschlafen hatten.
In ihrer Wohnung am Cheyne Walk kümmerte John sich, zu Janeys Erleichterung, um alles. Er setzte den Kessel auf und goss ihnen eine Tasse Tee auf.
»Soll ich deine Eltern anrufen?«
»Nein, nein«, sagte Janey rasch. »Ich will sie nicht unnötig beunruhigen.«
»Du solltest jetzt nicht allein sein.«
Janey brachte ein Lächeln zustande. John war wirklich angenehm altmodisch und ritterlich.
»Ich bin nicht allein«, entgegnete sie. »Du bist hier bei mir … also, nicht dass ich dich aufhalten will. Du hast schon so viel für mich getan. Außerdem kommt Rose nachher, glaube ich jedenfalls.«
»Ich lasse dich nicht allein«, erklärte John resolut.
»Oh, John …« Irgendwie rührte sie diese Freundlichkeit eher zu Tränen als Charlies Betrug. »Das kann ich nicht erlauben. Du hast doch sicher noch einiges zu tun.«
»Nichts, was nicht warten kann. Und jetzt trink deinen Tee, solange er noch heiß ist.«
»Du hörst dich an wie mein Vater«, meinte Janey mit einem zittrigen Lächeln.
»Er ist ein guter Mann.«
»Ja.« Eine Träne rollte ihr über die Wange.
»Nicht, Janey. Das ist er nicht wert.«
John nahm ihr die Teetasse ab und nahm sie in die Arme und tätschelte ihr tröstend den Rücken, als wäre sie noch das kleine Mädchen, das sie gewesen war, als sie alle zusammen gespielt hatten. Es kam ihr vor wie der sicherste Ort der Welt.
46
Ella lag in Olivers Bett und sah zu, wie die Morgensonne Schattenmuster auf die Decke malte. Ihr Körper war weich und entspannt, irgendwie anders. Ein wissender Schauer durchfuhr sie. In der Nacht hatte sie ihren ersten richtigen Orgasmus gehabt . Allein der Gedanke daran ließ sie von neuem erbeben, und ihre Klitoris schmerzte in wollüstiger Erinnerung.
Es war fast eine Woche her, seit sie zum ersten Mal mit Oliver ins Bett gegangen war, doch heute war sie das erste Mal die ganze Nacht dageblieben.
Sie rollte sich auf ihre Seite, um ihn anzusehen. Er schlief noch, die über Nacht gewachsenen Stoppeln lagen wie ein Schatten über seinem Kiefer. Wer hätte gedacht, dass Sex auf so viele verschiedene Arten Spaß machen und so viele verschiedene Empfindungen hervorrufen konnte? Auf die Ella, die sie noch vor einer Woche gewesen war, konnte sie jetzt nur noch mit Überlegenheit und Belustigung zurückblicken. Wie naiv und dumm sie gewesen war – und gleichzeitig doch so klug. Sie wusste jetzt mit absoluter Sicherheit, dass es niemals gut gegangen wäre, wenn sie als Jungfrau zu Brad gegangen wäre. In ihrer Naivität hatte sie eindeutig die richtige Wahl getroffen.
Es lief alles bemerkenswert gut. Oliver
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