Ein Haus für vier Schwestern
Vater gewesen.«
»Ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr ich diesen Mann hasse.«
»Du solltest ihm das sagen, solange es noch geht. Dann bist du es los.«
»Er würde nur versuchen, sich rauszureden. Und ich will das nicht hören. Es gibt keine Entschuldigung für das, was er mir und meiner Mutter angetan hat.«
»Was hat er denn getan?« Normalerweise hätte Ginger nie so eine Frage gestellt, weil es sie eigentlich nichts anging. Aber was mit Jessie zu tun hatte, war alles andere als normal.
»Meine Mutter war siebzehn, als sie schwanger wurde, Jessie fast fünfzig. Sie sagte ihm, sie sei schwanger, und er meinte, er sei zu alt für ein Kind. Er ließ die Schlösser am Haus auswechseln. Dann sagte er ihr, wenn sie versuchen würde, Unterhalt von ihm zu verlangen, würde er Männer suchen, die bezeugen würden, mit ihr geschlafen zu haben. Und jetzt will der Mistkerl Anspruch auf mich erheben, weil er im Sterben liegt und ein schlechtes Gewissen hat? Nicht mit mir.«
Ginger kam die Geschichte merkwürdig vor. Menschen veränderten sich. Aber sie konnte nicht glauben, dass Jessie sich in den letzten dreißig Jahren gewandelt habe sollte. Irgendetwas stimmte da nicht. Aber anstatt darauf herumzureiten, wechselte sie lieber auf sicheren Boden. »Hast du Bilder von deinen Kindern?« Sie lächelte. »Klar hast du. Eigentlich wollte ich fragen, ob ich sie sehen darf?«
»Ich habe nur ein paar ziemlich neue. Sie sind im Schlafzimmer. Warte einen Augenblick, ich hole sie.« Als sie gerade das Zimmer verlassen wollte, blieb sie stehen und drehte sich zu Ginger um. »Magst du überbackene Makkaroni?«
»Ungefähr so gern wie Leber und Zwiebeln.«
»Ist das gut oder schlecht?«
»Ganz, ganz schlecht.«
Rachel musste lachen. »Salat?«
»Welche Frau, die nicht über Größe vierzig hinauswachsen will, ist nicht davon überzeugt, dass sie gern Salat ist? Warum fragst du?«
»Ich dachte gerade, dass du zum Abendessen bleiben könntest, falls du keine anderen Pläne hast. Dann würdest du Cassidy und John kennenlernen.«
Sie war mit Marc verabredet. Als sie ihn vorhin angerufen hatte, um ihm von ihrem Treffen mit Jessie zu erzählen, war er zu beschäftigt gewesen. »Ich kann nicht. Ich habe eine Telefonkonferenz …« Sie sah die Enttäuschung ins Rachels Augen, in denen sie ihre Gefühle gespiegelt fand.
Diesmal würde sie Marc absagen. Er hatte das so oft mit ihr gemacht, dass er kaum ärgerlich sein konnte. »Ich lasse mir eine Ausrede einfallen, denn ich möchte wirklich gern meine Nichte und meinen Neffen kennenlernen.«
Cassidy und John waren zuerst verwirrt und scheu gewesen, tauten dann aber auf. Ginger hielt sie mit Reimrätseln und Klopf-klopf-Witzen bei Laune, während Rachel Pizza bestellte. Mit Jeff lagen die Dinge nicht so einfach. Sie hatte sich darauf vorbereitet, ihn vom ersten Augenblick an nicht zu mögen. Doch als sie die Trauer in den Blicken sah, mit denen er Rachel bedachte, fiel ihr das schwer. Er war freundlich und offensichtlich überrascht, bei Rachel eine Schwester vorzufinden, von der er überhaupt nicht gewusst hatte, dass sie existierte. Doch ihm war natürlich klar, dass er nicht länger mit ihr sprechen konnte.
Nach der Pizza und einem Film ließen die unerwarteten Umarmungen von Nichte und Neffe Ginger ein bisschen atemlos zurück. Dann lagen Cassidy und John endlich im Bett, auch wenn sie noch nicht eingeschlafen waren.
»Ich sollte jetzt fahren«, sagte Ginger. Der Vorschlag erschien ihr angebracht, schließlich war es schon halb zehn. Eigentlich wollte sie nicht gehen. Sie war noch nicht einmal die Hälfte der Fragen losgeworden, die sie auf dem Herzen hatte. Bis jetzt war sie auch nicht froh darüber, ohne diese Schwester aufgewachsen zu sein.
»Hast du es weit?«, fragte Rachel.
»San José.« Je nach Verkehr waren das ein bis zwei Stunden mit dem Auto.
»Würdest du gern bleiben?«, platzte Rachel heraus. »Bitte! Ich weiß, wie blöd sich das anhört. Aber ich habe gerade gedacht, wie nett der Abend gewesen ist und wie lange es schon her ist, dass ich mit jemandem richtig reden konnte. Und wie viel wir uns noch zu erzählen haben.«
»Du meinst über Nacht?«
»Ich kann dir Johns Bett anbieten.«
»Und John?«
»Schläft bei mir.«
»Macht ihm das nichts aus?«
»Er wird es überhaupt nicht mitbekommen, wenn ich ihn rübertrage.«
Sie sollte das nicht tun. Am nächsten Morgen hatte sie mindestens ein Dutzend verschiedene Dinge zu erledigen, darunter auch ein
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