Ein Haus zum Traumen
ich mich mit meiner toten Großmutter unterhalte, die ich nie kennen gelernt habe, und der ich mich näher fühle als jedem anderen lebenden Mitglied meiner Familie. Mein bester Freund ist mein Exmann. Ich hatte vier Stiefväter und unzählige ›Onkel‹, und da ich nicht blöd bin, begreife ich sehr wohl, dass das ein Grund dafür ist, dass ich außer mit Steve noch nie eine lange, normale Beziehung mit einem Mann hatte. Ich erwarte förmlich, ausgebeutet und missbraucht zu werden, und sabotiere deshalb von vorneherein jede potentielle Langzeitbeziehung. Ich will dich nur warnen.«
Ford widmete sich ebenfalls seinem Pfannkuchenstapel. »Bist du fertig?«
Lachend schob Cilla ihren Teller weg und nahm ihre Kaffeetasse. »Fürs Frühstück reicht es wahrscheinlich.« Sie erhob sich und streckte die Hand aus. »Komm, wir gehen im Regen spazieren. Und wenn wir zurückkommen, legen wir uns in deinen Whirlpool.«
Sie ließen die Küche unaufgeräumt und machten einen langen Spaziergang mit dem Hund. Gab es etwas Romantischeres, als im Regen geküsst zu werden?, fragte sich Cilla. Etwas Schöneres als die Berge, eingehüllt von Wolken und Dunst schwaden? Etwas Befreienderes, als Hand in Hand durch den Sommerregen zu laufen, während alle sich drinnen hinter verschlossenen Türen und Fenstern zurückgezogen hatten?
Durchnässt kamen sie wieder am Haus an und zogen sich die nassen Sachen aus. Im heißen, sprudelnden Wasser nahmen sie einander langsam.
Schließlich wankten sie erschöpft nach oben, um auf Fords Bett eng aneinandergeschmiegt zu schlafen.
Cilla weckte ihn auf, und sie liebten sich erneut. Als sie wieder einschliefen, war aus dem Regen nur noch ein leises Tröp feln geworden.
Später stand Cilla auf und schlich auf Zehenspitzen an Fords Schrank, um sich ein Hemd herauszuholen. Leise verließ sie das Zimmer. Eigentlich wollte sie sich unten eine Flasche Wasser holen, entschied jedoch spontan, einen Umweg über sein Atelier zu machen. Der Durst konnte warten.
Als sie das Licht einschaltete, entdeckte sie die Zeichnungen sofort. Es war so seltsam, ihr Gesicht auf dem Körper einer Kriegerin zu sehen, dachte sie. Na ja, ihr Körper war es auch.
Er hatte ihre Tätowierung, wie sie es vorgeschlagen hatte, auf Brids Bizeps gemalt.
Sie trat an seinen Arbeitstisch und betrachtete konzentriert die Blätter auf dem Zeichenbrett. Es waren lauter kleine Skizzen, alle in unterschiedlichen Kästchen, und jede mit einer gepunkteten, vertikalen Linie versehen, die nach unten lief. In manchen Kästchen waren Sprechblasen mit Zahlen darin. Sie breitete die Blätter aus, um sie besser anschauen zu können.
Es war wie ein Storyboard, stellte sie fest. Die Figuren, die Action, die Abfolge. Und wenn sie sich nicht irrte, waren Form und Größe der Kästchen mathematisch wie künstlerisch berechnet. Ausgewogenheit und Wirkung, dachte sie.
Wer hätte gedacht, dass in einem Comic so viel Arbeit steckte?
Auf der anderen Seite des Zeichenbrettes lag ein größeres Blatt auf der Arbeitsfläche. Weitere Quadrate und Rechtecke mit detaillierten Zeichnungen, schattiert und … geinkt. Ja, genau, das war der Fachausdruck. Obwohl sie noch keinen Dialog enthielten, erregte die Kunst schon Aufmerksamkeit, so wie Wörter in einem Buch.
Im Mittelpunkt stand Dr. Cass Murphy in ihrem Professorenkostüm. Konservativ, streng. Kühl. Die Kleidung, der dunkle Rahmen der Brille und die Haltung definierten die Persönlichkeit auf einen Blick. Es war brillant, dachte Cilla. Er konnte in einem einzigen Bild den gesamten Charakter einer Figur einfangen. Die ganze Person.
Ohne nachzudenken nahm sie das Panel, trat an die Schautafel und hielt es vor die Zeichnung von Brid.
Die gleiche Frau, ja, natürlich die gleiche Frau. Und doch war die Verwandlung bemerkenswert. Von Repression zu Befreiung, von Zögern zu Entschlossenheit. Vom Schatten zum Licht.
Als sie das Panel wieder zurücklegte, fiel ihr Blick auf einen weiteren Stapel Blätter. Maschinenbeschriebene Blätter. Sie überflog die ersten Zeilen.
Ford erwachte hungrig und tief enttäuscht, dass Cilla nicht neben ihm lag, um wenigstens einen Appetit zu stillen. Er konnte einfach nicht genug von ihr bekommen.
Sie war so schön, so sexy, sensibel und klug. Sie konnte mit schweren Werkzeugen umgehen und hatte ein Lachen, bei dem ihm das Wasser im Mund zusammenlief. Er hatte sie hart erlebt und völlig am Boden. Er wusste, wie viel Liebe sie einem Freund schenken konnte, wie sie mit
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