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Ein Held unserer Zeit

Ein Held unserer Zeit

Titel: Ein Held unserer Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Lermontow
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gesprochen hat?"
     
    "Vollkommen!"
     
    "Warum?"
     
    "Weil die Tochter sich bei Ihnen nach Gruschnitzki erkundigt hat."
     
    "Sie besitzen in hohem Grade die Gabe der Combination ... Nun ja, die junge Fürstin sagte zu mir, sie sei überzeugt, dieser junge Mann im Soldatenmantel sei wegen eines Duells degradirt worden ..."
     
    "Ich hoffe, Sie haben sie in dieser angenehmen Illusion gelassen ..."
     
    "Selbstredend ..."
     
    "Der Knoten ist geschürzt," rief ich entzückt aus; "für die Lösung werden wir schon sorgen. Es ist klar, das Schicksal hat Mitleid mit mir; es gibt mir ein Mittel gegen die Langeweile."
     
    "Ich sehe voraus," fuhr der Doctor fort, "daß der arme Gruschnitzki Ihr Opfer werden wird ..."
     
    "Weiter, Doctor!"
     
    "Die Fürstin Mutter sagte mir, Ihr Gesicht sei ihr nicht unbekannt. Ich bemerkte ihr, sie würde Ihnen wahrscheinlich in Petersburg in irgend einem Salon begegnet sein .... und ich nannte Ihren Namen. Er war ihr bekannt. Wie es scheint, haben Ihre Abenteuer viel Lärm gemacht ... Sie hat mir verschiedene erzählt, indem sie, vermuthlich nach dem Recept der bösen Zungen, ihre Bemerkungen hinzufügte ... Ihre Tochter hörte neugierig zu. Ihre Phantasie hat einen neumodischen Romanhelden aus Ihnen gemacht ... Ich habe der Fürstin nicht widersprochen, obgleich ich wußte, daß sie manches dumme Zeug zum Besten gab."
     
    "Würdiger Freund!" rief ich aus und streckte dem Doctor meine Hand entgegen.
     
    Er drückte sie mit Gefühl und fuhr fort:
     
    "Wenn Sie wollen, stell' ich Sie vor ..."
     
    "Aber ich bitte Sie!" rief ich. "Stellt man denn einen Helden vor! Der Held darf nur in dem Augenblick erscheinen, wo er seine Geliebte vom sichern Tode errettet ..."
     
    "Und wollen Sie in der That der jungen Fürstin den Hof machen?"
     
    "Durchaus nicht! ... Doctor, endlich triumphire ich. Sie haben meine Gedanken nicht errathen! ... Und doch," fuhr ich nach einem Augenblick des Schweigens fort, "mischt sich ein Gefühl der Traurigkeit in mein Siegesbewußtsein. Sehen Sie, ich offenbare nie selbst meine Geheimnisse, aber es ist mir sehr lieb, wenn Andere sie errathen, denn in diesem Fall kann ich sie immer verläugnen, wenn ich das für gut finde. Aber erzählen Sie mir weiter von Mama und Tochter. Was sind sie für Frauen?"
     
    "Was zunächst die Mutter betrifft," antwortete Werner, "sie ist eine Frau von fünfundvierzig Jahren – ausgezeichneter Magen –, verdorbenes Blut –, rothe Flecken im Gesicht. Die letzte Hälfte ihres Lebens hat sie in Moskau verlebt und ist dort in ihrer Zurückgezogenheit beleibt geworden. Sie hört gern anstößige Anekdoten erzählen und gibt selbst bisweilen solche zum Besten, wenn die Tochter nicht im Zimmer ist. Sie hat mir erklärt, ihre Tochter sei unschuldig wie eine Taube. Was geht das mich an? ... Ich hätte ihr gern geantwortet, sie möchte sich nur beruhigen, ich würde dies Geheimniß keinem Menschen verrathen."
     
    "Die Fürstin Mutter läßt sich vom Rheumatismus curiren; an welcher Krankheit die Tochter leidet, weiß ich nicht. Ich habe Beiden täglich zwei Glas schwefelhaltiges Wasser und wöchentlich zwei Bäder in dem Bassin der Quelle verordnet. Die alte Fürstin ist, wie es scheint, ans Befehlen nicht gewöhnt; sie bewundert den Geist und das Wissen ihrer Tochter, die Byron im Original liest und Algebra versteht. Offenbar legen sich in Moskau die jungen Damen auf ernste Studien, und daran thun sie wohl! Im Allgemeinen sind unsere jungen Männer so unliebenswürdig, daß es bei geistvollen Frauen viel Selbstverläugnung erheischt, mit ihnen zu kokettiren. Die Fürstin sieht gern junge Leute; ihre Tochter dagegen betrachtet sie mit einer gewissen Verachtung – eine Moskauer Gewohnheit! In Folge ihrer Erziehung reden und benehmen sich die Moskauer jungen Damen wie vierzigjährige Männer."
     
    "Haben Sie denn in Moskau gelebt, Doctor?"
     
    "Ja, ich hatte dort eine ziemlich gute Praxis."
     
    "Fahren Sie fort."
     
    "Ich glaube, ich habe Alles gesagt ... nein, noch Eins: Die junge Fürstin scheint es zu lieben, über Gefühle, Leidenschaften und dergleichen zu reden. Sie hat einen Winter in Petersburg verlebt; aber die Residenz hat ihr nicht gefallen, und noch weniger die dortige Gesellschaft. Wahrscheinlich hat man sie kalt empfangen."
     
    "Haben Sie heut' Niemand bei ihr gesehen?"
     
    "Ja, einen Adjutanten, einen Garde-Offizier – einen sehr aufgeblasenen Menschen – und eine erst kürzlich angekommene Dame, die durch ihren Mann

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