Ein Hippie-Traum
dahin noch gar nicht gekommen waren. Wir machten das zwei Monde lang, dann ging ich auf eine Solotournee, auf der ich die Effekte einsetzte, die Dan und Mark mir auf die Gitarren gelegt hatten, elektrische wie akustische. Ich nahm mein altes Harmonium, meinen Flügel von Tonight’s the Night, den Amber bemalt hatte, und mein altes Klavier von After the Gold Rush, das ich mir damals für diese Platte gemietet hatte und in das ich mich dann so verliebte, dass ich es kaufte. Ich war sehr zufrieden damit, wie die Tour sich entwickelte.
Wir beschlossen, mit dieser Show das ganze Jahr hindurch immer drei Wochen am Stück zu touren und dazwischen Aufnahmetrips zu Dan in LA einzuschieben. Sein Haus war eine Villa aus den Dreißigerjahren. Die Architektur war ganz nach meinem Geschmack: Old Hollywood! Mit seinen Wendeltreppen und dem mediterranen Flair erinnerte es mich an die goldene Ära des Film; die schön geschnittenen Fenster und Bogen überall waren eine Augenweide. Dan überspielte analoge Masters auf einen Digitalrekorder aus Kanada, RADAR genannt. Hörte sich gut an, und ich war zufrieden, wie alles lief. Dan erklärte mir, dass man die analogen Masters nicht direkt abmischen konnte, weil wir so viele digitale Overdubs darüberlegten. Damit hatte ich kein Problem. Ich mochte die Overdubs, die er mit Mark machte. Es war sehr kreativ, und wir bekamen einen ganz eigenen Sound hin. Ich ging davon aus, dass die Digitalaufnahmen mit maximaler Auflösung erfolgten.
Mitten in den Aufnahmen hatten Dan und Keisha einen Motorradunfall; zuerst hieß es, Dan würde womöglich nicht durchkommen. Ich war am Boden zerstört. Ich rief im Krankenhaus an und stellte fest, dass die Meldungen, die ich bekommen hatte, stark übertrieben waren. Ein paar Knochen hatte sich Dan aber doch gebrochen, und zwei Monate saß er im Rollstuhl. Ich vermittelte ihm die besten Ärzte, und sie behandelten ihn gut und Keisha auch, die sich den Arm mehrfach gebrochen hatte.
Als ich von dem Unfall erfuhr, musste ich gleich an Larry und Ben denken, die beide im Jahr davor gestorben waren, und ich fragte mich, ob ich den Leuten, die mir nahestanden, Unglück brachte. Diesen Gedanken bin ich Gott sei Dank wieder losgeworden.
Dan kam auf die Beine, wir machten weiter, und als das Album fertig war, war ich begeistert. Es war eine Mischung aus elektrischen und akustischen Soloperformances mit Overdubs. Dan zu Ehren nannte ich es Le Noise, als frankokanadischen Witz quasi, eine sehr englische Art, Lanois auszusprechen. Ich gab ein Konzert, in dem ich viele der Songs vorstellte, und alles lief prima. Ich war sehr zufrieden.
Unlängst bekam ich meinen allerersten Grammy für ein Stück auf Le Noise in der Kategorie »Bester Rocksong«. Außerdem gewannen wir mit der Platte in Kanada die Juno Awards. Das war eine große Ehre. Wir waren alle Kanadier, Daniel Lanois, Mark Howard, Adam Vollick, Margaret Marissen und ich, das ganze Team! Es war ein Mordsspaß.
Es war allerdings nicht alles Sonnenschein. Als ich das Master zu einem der Songs auf Le Noise auf meinen PureTone-Demoplayer legte, fiel mir auf, dass er nicht dieselbe Offenheit und Klangtreue wie die anderen Tracks hatte. Ich sprach die Leute im Studio darauf an und ließ sie »Walk with Me« analysieren, das seltsam klingende Stück. Es hatte tatsächlich eine geringere Auflösung! Es war mehrere Stufen unter dem Maximalwert aufgenommen worden. Ich konnte es nicht fassen. Wir fragten bei Mark nach, und er bestätigte es. Ich war vollkommen überrascht, es klang definitiv schlechter als meine ganzen anderen hochaufgelösten Masters. Dabei macht eine hohe Auflösung nicht mal mehr Arbeit. Man muss nur die entsprechende Technik haben und die richtigen Knöpfe drücken. Wenn das bei mir passieren kann, wie viele andere heutige Künstler werden dann wohl Platten mit suboptimaler Auflösung produzieren. In späteren Zeiten werden sich diese Aufnahmen misslungen anhören.
Nach ein paar Monaten beschloss ich, noch eine weitere Etappeder »Le Noise«-Tournee einzulegen und das letzte Konzert von Jonathan Demme in der Massey Hall von Toronto filmen zu lassen. Es wurde ein fantastischer Abend. Alle waren überglücklich, dass wir ihn im Kasten hatten. Beim Anschauen der digitalen Dateien merkten wir, dass die Auflösung nicht optimal war; die Qualität war geringer, nicht die bestmögliche. Die Rechtfertigungen meines Teams galten nicht, denn ich war nicht über die Entscheidung informiert worden, an der
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