Ein Hoffnungsstern am Himmel Roman
obirgendetwas zwischen uns geschehen ist, als wir in der Wüste festsaßen, oder ob mein vom Morphium umnebeltes Hirn mir einen Streich gespielt hat ...«
»Darüber habe ich auch schon nachgedacht. Ich fühle mich dir näher, aber das ist nur natürlich, wenn man so viel miteinander durchgemacht hat, meinst du nicht auch?«
»Nein, das glaube ich nicht. Ich habe auch schon mit Wags in der Wüste festgesessen, hege aber deshalb keine tieferen Gefühle für ihn.« Er lächelte, und Estella tat es ihm gleich, doch ihr Herz schlug plötzlich schneller.
»Wie finden wir denn nun heraus, ob es nur an den besonderen Umständen lag?«, fragte Murphy leise.
»Ich nehme an, das wird sich im Lauf der Zeit herausstellen«, sagte Estella, doch Murphy schüttelte wieder den Kopf.
»Ich bin immer sehr direkt gewesen, und ich werde dir offen sagen, was ich denke: Ich fühle mich von dir angezogen, seit wir uns zum ersten Mal begegnet sind.«
Estella dachte daran, wie unhöflich er damals gewesen war, und erwiderte: »Mein Eindruck war aber ein ganz anderer.«
»Ich weiß – ich habe es hervorragend zu verbergen gewusst«, meinte er trocken. »Aber damals habe ich dagegen angekämpft. Ich war der Meinung, kein Glück zu verdienen, während Tom leiden muss. Außerdem dachte ich, du würdest es hier nicht länger als ein paar Tage aushalten. Obendrein hast du den Ehering getragen. Aber jetzt, nachdem ich dem Tod so nahe gewesen bin, ist mir eins klar geworden: Wenn man das Glück nicht beim Schopf packt, versäumt man seine vielleicht einzige Chance. Und ich möchte nicht die kleinste Chance auf ein Leben mit dir versäumen!«
Estella wusste nicht, was sie antworten sollte. Murphy ging ihrer Meinung nach alles zu schnell an. Er bemerkte ihre Verwirrung und fügte hinzu: »Wenn du nicht so fühlst wie ich, dann vergiss einfach, was ich gesagt habe. Als Entschuldigung kann ich den Schlag auf meinen Kopf geltend machen.« Seinschiefes Grinsen erinnerte sie fast schon wieder an den alten Michael Murphy.
Sie musste lächeln. »Sag jetzt nur nicht vorschnell etwas, das du später bereust, sobald es dir wieder besser geht!«
»Jedes Mal, wenn ich dich ansehe, schlägt mein Herz schneller, und ich empfinde etwas für dich, das ich noch nie zuvor gefühlt habe. Das sage ich hier und jetzt, und ich werde es niemals bereuen.«
Estella fühlte beinahe Panik in sich aufsteigen. Sie hatte Angst, noch einmal so tief verletzt zu werden, wenn sie es wagte, einem Mann aus tiefstem Herzen zu vertrauen. Außerdem musste sie jetzt auch an ihr Kind denken. »Es tut mir Leid, Murphy, aber ich kann noch keine Pläne für die Zukunft machen, solange ich meine Vergangenheit nicht ganz hinter mir gelassen habe«, sagte sie leise.
Murphy fragte sich, ob sie vielleicht noch etwas für ihren Mann empfand, oder ob sie um des Kindes willen auf eine Versöhnung mit ihm hoffte.
»Natürlich«, sagte er, obwohl es ihm sehr schwer fiel, »wir haben alle Zeit der Welt.«
33
Z um ersten Mal seit mehr als einer Woche hatte Estella das Haus für sich und fand es schrecklich. Es war zu ruhig, zu still. Als die anderen Einwohner von Kangaroo Crossing wie ein Heuschreckenschwarm in ihr Heim eingefallen waren, hatte Estella das anfangs als ein wenig störend empfunden, doch mit der Zeit hatte sie sich an das ständige Kommen und Gehen gewöhnt. Erst als die Leute nicht mehr kamen, wurde ihr klar, wie sehr sie ihre Gesellschaft genossen hatte. Murphy war fast jeden Tag zu Besuch gewesen, hatte in der Küche gesessen und mit Estella Tee getrunken. Sein gebrochenes Bein hatte er dabei auf einen Schemel hochgelegt und den arbeitenden Männern ungebetene Ratschläge erteilt. Estella musste über deren Reaktionen Tränen lachen.
Die Männer hatten sämtliche Räume gestrichen, das Dach und die Träger der Veranda repariert und Schranktüren und Fliegengitter erneuert, während Marjorie neue Vorhänge und Überwürfe für die Sofas nähte. Sie hatte Estella außerdem einige hübsche Tischtücher mit einem Pastellblumenmuster geschenkt, in dem lila Fliederblüten leuchteten. Sie hatte diese Tücher aus England mitgebracht; der Stoff verlieh der neu gestalteten Küche besonderen Glanz. Conny hatte praktisch gedacht und mit viel Sorgfalt hübsche Babykleidung gestrickt.
Estella war allen dankbar dafür, dass sie sie in ihrer Mitte aufgenommen hatten. Es bedeutete ihr unendlich viel, gemocht und akzeptiert zu werden.
Mai hatte darauf bestanden, dass Estella das Zimmer
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