Ein Hoffnungsstern am Himmel Roman
Behandlung des Pferdes als persönliche Herausforderung; außerdem war sie aufgebracht, dass Stargazer bisher nicht die Hilfe bekommen hatte, die er brauchte.
Charlie hatte nicht übertrieben, als er sagte, dass Marty alles verkaufte, was man sich denken konnte. Estella musste sich vorsichtig durch einen schmalen Gang zwischen Töpfen, Pfannen, Küchengeräten, Dosen, Stoffballen und Säcken mit Reis und Getreide hindurchwinden, um zum Ladentisch zu gelangen. Auf diesem wiederum stapelten sich Keksdosen und Käse, Gewürze und Brot. Phyllis, eine Frau Ende zwanzig mit dunklem, schulterlangem Haar und herben Zügen, war gerade mit einer Kundin beschäftigt, während Marty über Papieren saß. Er war ein schlanker Mann mit braunen Haaren, in die sich schon graue Strähnen mischten.
»Guten Tag«, sagte Estella so fröhlich sie konnte.
Marty, Phyllis und die Kundin blickten auf und musterten Estella ungeniert von oben bis unten. Ihr Mangel an Takt verblüffte Estella: Im Vergleich dazu waren die Engländer sehr zurückhaltend.
»Guten Tag«, erwiderten alle zugleich.
»Ich bin Estella Lawford, die neue Tierärztin«, stellte Estella sich vor, während sie die drei nacheinander anblickte. Sie hatte auf einen freundlichen Willkommensgruß gehofft, doch es überraschte sie nicht sehr, dass ihre Hoffnungen enttäuscht wurden.
»Das wissen wir bereits«, erklärte Phyllis. »Wir hatten Sie schon erwartet.« Die Kundin und Marty schwiegen, doch Estella hatte das sichere Gefühl, dass sie schon ausgiebig über sie geredet hatten.
»Ich bin Phyllis Edwards. Das ist mein Vater Marty, und dies ist Marjorie Waitman, unsere Postvorsteherin. MarjoriesMann ist Angestellter bei der Bank von Queensland und betreibt eine kleine Zweigstelle im Anbau des Postamts.«
»Es freut mich sehr, Sie alle kennen zu lernen«, sagte Estella. »Um ehrlich zu sein, das Postamt habe ich noch gar nicht entdeckt.«
Marjorie zog die Augenbrauen hoch und sah Phyllis an. »Wir sind im früheren Jockey-Club. Aber den werden Sie wohl auch nicht kennen, stimmt’s?« Sie erwartete erst gar keine Antwort auf diese Frage. »Wir brauchen nicht viel Platz – obwohl ich immerhin die Post für fünfundzwanzig Familien draußen auf den stations und Farmen, für die Einwohner der Stadt und für das Krankenhaus sortiere.«
Auf Estella machte Marjorie den Eindruck einer hochnäsigen Wichtigtuerin. Sie konnte sich gut vorstellen, wie Marjorie die Poststempel auf den Briefen genauestens musterte und Mutmaßungen über deren Inhalt anstellte.
»Haben Sie sich schon ein wenig eingewöhnt?«, wollte Phyllis wissen. »Wir hatten eigentlich gedacht, wir würden Sie schon eher hier sehen, wegen der Milch und all der Dinge, die man so braucht ...«
»Sie war seit ihrer Ankunft im Krankenhaus«, antwortete Marjorie für Estella und bestätigte damit deren Meinung über sie.
»Oh«, sagte Phyllis. »Waren Sie krank?«
Marjorie, Phyllis und Marty blickten Estella – die es unglaublich fand, wie unverblümt man sie ausfragte –, erwartungsvoll an.
»Es war meine erste Flugreise. Mir war übel, und ich fühlte mich elend. Das ist aber auch schon alles«, erklärte Estella und war sicher, die anderen zu enttäuschen, die bestimmt gehofft hatten, ihre Krankheit sei spektakulärer gewesen. Sie war unendlich dankbar, dass nur Charlie etwas von ihrer Schwangerschaft wusste.
»Sie hat einen lustigen Akzent, nicht wahr?«, sagte Marjoriezu Phyllis, als sei Estella unsichtbar. »Tja, ich mache mich jetzt besser auf den Heimweg, sonst meint Frances noch, ich hätte mich verlaufen.« Sie lachte über ihren eigenen Scherz. »Bis später!«
Dann wandte sie sich an Estella. »Viel Glück, meine Liebe«, sagte sie mit einem Seitenblick zu Phyllis, der mehr als deutlich ausdrückte, dass Estella dieses Glück brauchen würde. Dann nahm sie die Tasche mit ihren Einkäufen und verließ eilig das Geschäft.
Estella hätte beinahe den Mut verloren und wäre Marjorie gefolgt, dann aber dachte sie an Stargazer. »Ich würde gern etwas mit Ihnen besprechen«, sagte sie zu Marty.
»Um was handelt es sich denn?«, fragte er und musterte sie mit einem stählernen Blick seiner blauen Augen. Estella wünschte, er würde lächeln oder wenigstens nicht ganz so förmlich sein.
»Ich ...«
Die Tür wurde geöffnet, und ein junges Aborigine-Mädchen kam in den Laden. »Hallo, Phyllis«, rief es. Estella bemerkte, dass Phyllis über diese Unterbrechung nicht eben erfreut schien: Sie war viel
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