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Ein Hoffnungsstern am Himmel Roman

Titel: Ein Hoffnungsstern am Himmel Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Haran
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Möbel verbrennen!«, rief sie außer sich.
    »Wird nicht mehr gebraucht«, rief Mai zurück und packte den Sessel von der anderen Seite.
    Estella war sicher, wieder Alkohol in Mais Atem zu riechen, und wurde noch ärgerlicher. »Ross war dein Mann! Wie kannst du seine Sachen verbrennen?«
    »Ich brauchen Holz für Kochfeuer!«, stieß Mai hervor, und ihre dunklen Augen schossen Blitze.
    »Dann such es dir anderswo!«, schimpfte Estella. Die beiden zogen und zerrten an dem Sessel, und Estella stellte fest, dass Mai viel mehr Kraft besaß, als ihre zierliche Figur vermuten ließ. Sie vermochte ihr den Sessel nicht zu entreißen, so sehr sie sich anstrengte. Hätte sie nüchtern denken können, wäre ihr die komische Seite dieser Szene nicht entgangen. Aber sie war enttäuscht und desillusioniert und handelte rein gefühlsmäßig. Estellas Zorn wurde zusätzlich dadurch entfacht,dass Mai eines ihrer Kleider trug, das allerdings kaum noch zu erkennen war – voller Staub, an einigen Stellen zerrissen und mit den Blutflecken der letzten Beute übersät, einer riesigen Eidechse, die mit zerschmettertem Kopf nur ein paar Meter entfernt lag.
    Dieser grausige Anblick war endgültig zu viel für Estella, der plötzlich wieder übel wurde. Sie rannte ins Haus, schlug die Tür hinter sich zu und schrie: »Du kannst verbrennen, was du willst – es ist mir egal!« Sie flüchtete sich in den Behandlungsraum, in den sie ihre Sachen gebracht hatte, und stellte fest, dass ihr Koffer tatsächlich durchwühlt worden war. Mit einem Schrei der Verzweiflung warf sie sich auf die Matratze und begann haltlos zu schluchzen.

12
    E stella war von Heimweh erfüllt. Sie saß auf der vorderen Veranda, die hochgezogenen Knie mit den Armen umschlossen, und fühlte sich wie von einer Wolke der Verzweiflung eingehüllt. Der Himmel zeigte sämtliche Farbschattierungen von lebhaftem Rot über Rosa, Orange und Gold; es war ein atemberaubender Anblick. Der flammend rote Wolkensaum versprach auch für den folgenden Tag glühende Hitze.
    Doch Estella hatte keinen Blick für dieses Schauspiel. Im Herzen sehnte sie sich schmerzhaft nach dem Leben, das sie noch vor kurzer Zeit geführt hatte, nach Englands kühlem Grün und vor allem nach ihrer Tante Flo. Nicht einmal die Kängurus und Emus, die bei ihrer Futtersuche manchmal nahe am Haus vorüberkamen, konnten sie von ihrem Kummer ablenken.
    Estellas Freunde waren in der Mehrzahl auch James’ Freunde gewesen, also verbot es sich, mit einem von ihnen Verbindung aufzunehmen. Sie hatte gewusst, dass ihr Schritt, nach Australien zu gehen, Opfer mit sich bringen würde, doch bis zu diesem Augenblick, als sie sich von der Einsamkeit schier überwältigt fühlte, war ihr nicht klar gewesen, wie viel sie aufgegeben hatte. Und was ihre Mutter betraf, wusste Estella, dass sie enttäuscht und besorgt sein würde; deshalb hatte sie ihr bisher noch nicht geschrieben. Caroline ahnte nicht einmal, dass James und ihre Tochter getrennt waren – und dass Estella ein Kind erwartete. Ihre Mutter würde eine Erklärungverlangen, doch Estella wusste nicht, wie sie ihr von Davinia erzählen sollte. Und ganz sicher würde Caroline glauben, ihre Tochter habe den Verstand verloren, weil sie in Kangaroo Crossing lebte und die Praxis ihres Vaters übernommen hatte.
    Estella nahm den Stift und das Briefpapier, das sie mit nach draußen genommen hatte. Kurz fragte sie sich, was Mai und Binnie wohl taten, wollte es aber lieber gar nicht wissen. Im Westen versank die Sonne am Horizont, und das Licht schwand rasch. Estella beschloss, mit einem Brief an ihre Tante Flo zu beginnen, dem einzigen Menschen, dem sie sich wirklich anvertrauen konnte.
    Liebe Tante Flo, schrieb sie, ich habe so viel zu erzählen, dass ich nicht weiß, wo ich anfangen soll ...
    Sie hielt inne und blickte über die weite Landschaft.
    Ja, wo sollte sie anfangen? Ihre vom Weinen geschwollenen Augen füllten sich erneut mit Tränen, und Selbstmitleid stieg in ihr auf. Sie hatte den verzweifelten Wunsch, ihrer Tante das Herz auszuschütten, dann aber würde Flo vor Sorge um sie sterben. Deshalb beschloss Estella, das Schlimmste auszulassen und Flo nur zu schreiben, dass sie langsam, aber stetig Fortschritte machte in dem Bemühen, sich ein neues Leben aufzubauen.
    Während sie darüber nachdachte, wie sie die traurigen Umstände im besten Licht schildern könnte, erschien plötzlich ein Hund vor der Veranda. Völlig still stand er da und beäugte Estella aus geringer

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