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Ein Hund mit Charakter

Ein Hund mit Charakter

Titel: Ein Hund mit Charakter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sándor Márai
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voneinander fernhalten, als vielmehr zwischen den Herrschaften. Oft etwas seltsam und nicht immer angenehm ist dieses Völkchen von Hundehaltern; sie alle erwecken den Anschein, als trügen sie ein Mal, das nicht ganz saubere, körperliche Kainsmal der Einsamkeit, des Nirgendwohingehörens, der etwas heruntergekommenen Verlassenheit. Die meisten sind schon ziemlich betagt. In schäbigen Fummeln und Federn, in verschlissenen Stoffen und Leder nähern sie sich mit scheinbarer Distanziertheit, halten inne, nehmen den Hund kürzer, reden beschwichtigend auf ihren winselnden Liebling ein, der frierend zittert und aufgeregt, von nicht zu bezwingender Neugier gequält, herumtrippelt. Sodann machen sie den Weg frei und lassen die drohende Gefahr vorüberziehen – auch sie selbst schielen interessiert zu den Schicksalsgenossen hin, hätten so viele Fragen und wüßten selbst manches zu berichten, wenn erst der Bann gebrochen ist und ein hingeworfenes flüchtiges Wort die Dämme der Zurückhaltung einreißt.
    Der Herr kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß diese alten Frauen und alleinstehenden Männer samt ihren Hunden aus irgendwelchen kläglichen Löchern hervorkriechen, aus blechnapfarmer, kümmerlicher Einsamkeit, die der Hund nur notgedrungen mit ihnen teilt; und auch ihre Tierliebe und eifersüchtige Zärtlichkeit hat etwas Unsoziales und Krankhaftes, das sie nötigt, ihren Schützling mit all den Dingen zu überhäufen, die sonst eigentlich Menschen miteinander teilen.
    In den Blicken, mit denen sich diese Hundebesitzer gegenseitig mustern, ist etwas Gestörtes. Ihre Verlegenheit wird aus einer gewissen Boshaftigkeit gespeist. Sie behalten sich gegenseitig und auch ihre Lieblinge im Auge, ziehen mit eifersüchtigem und dennoch gleichmütigem Grinsen aneinander vorbei. Warum nur halten sich die Leute statt dem ungarischen Riesenhirtenhund, dem Komondor, nicht einen ausgedienten Ringer, streitsüchtige alte Weiber oder einfach einen unbegabten Schriftsteller, sinnt der Herr mit nervöser Empfindsamkeit. Es gibt so viel Traurigkeit in der Welt … Oder einfacher ausgedrückt, warum rebellieren sie nicht gegen die Leere ihres Lebens? … Nein, sie tun es nicht. Sie halten sich lieber einen Hund und führen ihn auf die Generalswiese.
    Sie plaudern, wenn erst der Bann gebrochen ist, in einem kuriosen Pluralis majestatis. »Ja, wir sind jetzt drei Jahre alt, bitte«, sagen sie lispelnd und grinsend. »Und achten sehr darauf, daß wir keine Würmer kriegen und immer schönen, festen Stuhl haben, gell, mein Kleiner?« So ungezwungen und selbstgefällig berichten sie, wenden sich in liebenswürdiger Anmut auch an den Hund, als müßte der die Richtigkeit ihrer Ausführungen bestätigen. Das Erscheinen der mit einem schottischen Reiseplaid umhüllten älteren Dame auf der Szene, die sich in Stiefeletten und mit Handkorb gleich von drei Hunden durch die aufgeweichte Generalswiese schleppen läßt, macht Tschutoras Herrn immer traurig und auch ein wenig neidisch; in der Mitte des Gespanns führt ein mächtiger, ungepflegter ungarischer Komondor die Frau an der Kette, ihm zur Seite eilen und schnaufen zwei kleine Pulis. Das sind also die echten Pulis …, konstatiert der Herr, nicht ganz frei von Mißgunst. Gemessen überquert das Hundegespann mit der sonderbaren Dame die Wiese, wie eine Erscheinung aus irgendeiner langatmigen nordischen Legende. Dann tauchen Herren auf; vom Land hierher verschlagen, schwelgen sie auf dieser tristen Wiese in Erinnerungen an einstiges Jagdfieber, wenn sie spätnachmittags ihre traurigen Pinscher und Terrier im Wettstreit darauf dressieren, »das Wild zu stellen«, dabei ihre Spazierstöcke wie Flinten anlegen und vermeintlich zum Schuß ansetzen – allesamt harmlose, vor Sehnsucht kranke Narren! Ferner vereinsamte, magere alte Frauen, die nichts sagen, besorgt und schattenhaft dahineilen, an einer Schnur geschorene, schüchterne, dümmlich grinsende Kreaturen auf vier Beinen mit Rattenschwanz hinter sich herschleifen. All diese Geschöpfe tummeln sich auf der Generalswiese, schnappen ein Maulvoll nebliger Luft, einen Happen vom bitteren Gras und feuchten Dreck, um dann wieder heimzukehren in ihre unheimliche, dumpfe Einsamkeit, aus der sie für ein halbes Stündchen scheu hervorgekrochen sind.
    Irgendwie geniert den Herrn seine Anwesenheit unter diesen Gestalten; soweit dies möglich ist, ohne unhöflich zu erscheinen, weicht er Solidaritätsbezeugungen mit anderen Hundebesitzern aus und

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