Ein Jahr im Frühling (Cappuccino-Romane) (German Edition)
trinken
und schütteten sich gegenseitig ihr Herz aus. Clara erzählte, dass sie Gabriel
getroffen hatte und der mitten in den Umzugsvorbereitungen nach Hamburg
steckte. Emily hatte ein richtig schlechtes Gewissen, dass sie sich so wenig
Zeit für Ruth und Gabriel genommen hatte in den letzten Wochen. Aber ihr ging
deren offen zur Schau gestelltes Glück derart auf die Nerven, dass sie nicht so
viel Lust auf ihre Gesellschaft gehabt hatte. Vielleicht konnte sie sich mal
alleine mit Gabriel treffen und mit Ruth unter der Woche telefonieren. Am
Wochenende waren sie jetzt nur noch im Doppelpack zu haben.
Clara hatte die Exfreundin von Max kennengelernt und fand
sie ganz nett. Paula war abwechselnd bei ihr und bei ihrer Mutter auf dem Schoß
gesessen und sie hatten alle den Eindruck, dass sie darauf achtete, ihre Liebe
nur ja gerecht zu verteilen. „Ist das nicht alles ganz schön schräg“, fragte
Clara.
„Vermutlich ist das fast schon normal“, antwortete Emily.
Beide prusteten in ihren XXL-Kaffee.
Dann kam der Mittwoch. Emily war ein wenig aufgeregt. Die
Treffen mit David waren immer wieder neu für sie, so selten, wie sie
stattfanden, und man wusste nie so genau, was einen erwartete. Sie machte sich
ein bisschen zurecht, aber auch nicht zu sehr, dann fuhr sie los. Diesmal mit
dem Bus. Schließlich hatte sie vor, heute richtig mit David zu bechern, das
musste trotz der schlechten Vorlage von Josue jetzt sein. David erwartete sie
vor dem Löwen. Sie traten in die dämmrige Gaststube ein mit den alten, x-mal
gebeizten Tischen, an denen schon so manche Generation getafelt hatte. Emily
bestellte einen Weißwein, David einen Rotwein und Emily noch eine große Portion
Pommes, damit sie eine Grundlage hatten. Das Gespräch floss dahin und Emily
entspannte sich zusehends. Immer wieder zwischendrin musterte sie David, seine
inzwischen nachgewachsenen dunkelblonden Haare mit der Naturwelle, die er nun
nicht mehr in Rasta-Manier trug; seine beweglichen Lippen, die sich ganz klein
zusammenziehen, aber auch fast bis zu den Ohren ausdehnen konnten, wenn er
grinste. Den Leberfleck unter dem rechten Auge hatte sie noch nie bewusst wahrgenommen.
Sein großer Adamsapfel hüpfte, wenn er schluckte oder lachte. Sie musste sich
zusammenreißen, dass sie ihn nicht immer wieder anstarrte. Zwischendrin fing
sie kurze Blicke Davids auf, die ihr sagten, dass auch er sie intensiv
betrachtete. Einmal verweilte sein Blick auf ihrem linken Ohrläppchen. Sie
hatte die goldenen, großen Kreolen an und sie wusste, dass die Löcher in ihren
Ohren immer sehr weit gezogen wurden von den schweren Schmuckstücken. Aber sie
fand es erregend, wenn sie ihre Ohrläppchen durch das Wackeln der Kreolen
spürte, sobald sie ihren Kopf bewegte, und kam sich damit gleich ganz sexy vor.
Dann sah er sie verträumt an und sie merkte, dass er zumindest für eine kurze
Zeit ihre Worte gar nicht mehr wahrgenommen hatte, so weit weg schien er zu
sein. Sie erzählte gerade von ihrer Stadtführung. Er regte sich auch über den
blöden Teilnehmer auf. Aber solche gäbe es immer.
Emily bestellte eine
zweite Runde Wein und Knoblauchbaguette dazu. Sie hatte noch nicht viel
gegessen heute und merkte schon, wie der Wein seine Wirkung tat. Die
Pommes waren ziemlich schnell in Davids konkavem Bauch verschwunden. Beim
Baguette würde sie besser auf sich aufpassen und weniger erzählen.
Schon lange hatte sie sich nicht mehr so geborgen gefühlt,
wie in der dunklen Ecke im Löwen, während das Gespräch der anderen Gäste wie
Meeresrauschen an ihre Ohren brandete.
„Heute habe ich dir ein besonderes Geschenk mitgebracht“,
sagte Emily, bevor sie keinen zusammenhängenden Gedanken mehr fassen konnte.
„Eine Geschichte über zwei Heidelberger, die du bestimmt noch nicht kennst.“
„Ich bin ganz Ohr.“ Er lehnte sich genießerisch zurück und
lauschte. „Weißt du, dass Helgoland von zwei Heidelberger Studenten gerettet
wurde?“
David schüttelte sichtlich amüsiert den Kopf.
Nachdem Emily die skurrile Geschichte der Besetzung
Helgolands nach dem Zweiten Weltkrieg beendet hatte, klatschte David.
„Beeindruckend, diese Geschichte kannte ich wirklich noch nicht.“
Emily schaute ihn mit glühenden Ohren an. „Da siehst du mal,
auch wir Nordlichter haben’s drauf.“ Sie lehnte sich entspannt zurück und stieß
einen kleinen wohligen Seufzer aus, der David nicht entgangen war.
„Geht’s dir gut, holde Maid?“ Sie nickte und biss in ein
Baguette, dass ihr die
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