Ein Jahr im Frühling (Cappuccino-Romane) (German Edition)
dass seine Hände fahrig die Bettdecke
zurechtzupften. Sie wusch den Hals, den Bauch und näherte sich dem schlaffen
Glied, aus dem ein Schlauch ragte. Vermutlich ein Katheder, dachte sie
professionell und erspähte auch schon den ziemlich vollen Pipibeutel, der am
Bettrahmen hing. Vorsichtig hob sie Herrn Bressels gutes Stück in die Höhe, um
auch darunter sauberzumachen. Dass du mir nur keinen Unfug treibst, betete sie
ängstlich, aber sie hatte Herrn Bressel wohl überschätzt. Sie rollte ihn noch
ein wenig zur Seite, um seinen Hintern zu waschen, und beschloss, dass die Füße
heute nicht dran waren. Erleichtert deckte sie ihn wieder zu. Er schien auch
ganz froh zu sein, dass die Prozedur überstanden war.
„Bis später, Herr Bressel“, flötete sie und war schon aus
dem Zimmer. Schwer atmend lehnte sie sich gegen die Wand. Da schaute Bohni aus
der nächsten Zimmertür. „Und, hat alles geklappt?“
„Klar doch“, entgegnete sie locker.
„Dann hilf mir mal. Frau Bender bekommt eine neue Windel und
die Unterlage müssen wir auch wechseln. Er zeigt ihr, wie sie die alte Dame zur
Seite rollen konnte, um Unterlage und Windel zu wechseln, das schien gar nicht
so schwer zu sein. Frau Bender war das genaue Gegenteil von Herrn Bressel.
Unablässig murmelte sie vor sich hin, zu verstehen war nichts, aber sie hatte
auch noch kein Gebiss drin. Als hätte er ihre Gedanken gelesen, sagte Bohni:
„Hol doch bitte ihr Gebiss, es liegt da am Waschbecken, und setz es ihr ein.“
Emily näherte sich dem Glas mit dem gesäuberten Gebiss als
könnte es jederzeit zuschnappen. Vielleicht sollte sie doch Handschuhe tragen
bei der Arbeit, aber das tat hier sicher niemand. Sie bugsierte die beiden
glitschigen Hälften ans Bett, so richtig sauber schien es nicht zu sein, sie
meinte sogar noch ein Fitzelchen Petersilie zu identifizieren, und wandte sich
Frau Bressel zu. „Können Sie bitte den Mund aufmachen, damit ich Ihnen ihr
Gebiss einsetzen kann?“
Frau Bender brabbelte immer weiter. Da griff Bohni beherzt
ihr Kinn und drückte geschickt den Mund auf, schwupps, waren die oberen Zähne
drin. Und während er aufhielt, fummelte Emily das untere Teil hinein. Jetzt
ging es richtig rund. „Wann gibt es denn hier endlich Frühstück, ich bin schon
ganz verhungert, und kann mir endlich jemand sagen wo Purzel ist und was ihr
mit ihm gemacht habt, und ich brauche dringend einen neuen Schlafanzug, so kann
ich ja nicht länger rumlaufen, wie sieht denn das aus!“
Bohni kniff sie herzlich in die Wange. „Hannelörchen, du
kriegst gleich dein Frühstück, es dauert nicht mehr lange.“ Und schon war er
draußen.
Emily kam nicht umhin, ihn zu bewundern, wie gelassen er
überall zugleich war und dabei auch noch gute Laune versprühte. Heimlich sah
sie auf die Uhr. Es war noch nicht einmal halb sieben.
Eine Ewigkeit später schloss sie ihr Fahrrad auf, schob sich
mit letzter Kraft auf den Sattel. Oh nein, sie hatte Gabriels Strauß vergessen.
Jetzt würde sie aber nicht nochmal nach oben gehen, sie wollte ihn sowieso
nicht haben. Sollte er doch oben das Dienstzimmer verschönern. Dieser Job ist
definitiv nicht anständig bezahlt, dachte sie, als sie müde in die Pedale trat.
Es war Knochenarbeit, aber es hatte zumindest immer mal wieder auch Spaß
gemacht, wenn Bohni mit den alten Herrschaften schäkerte und ihnen ein Kichern
entlockte oder sie spielerisch mit ihren Stöcken nach ihm schlugen und ihm
drohten. Um das Zimmer von Herrn Hicks – Bohni nannte ihn ‚Oberwachtmeister
Dimpfelmoser’ – hatte sie einen großen Bogen gemacht. Bohni hatte ihr auch
erklärt, dass er sich noch weitgehend selbst versorgte und er sie das nächste
Mal ordnungsgemäß vorstellen wollte, damit es zu keiner weiteren Eskalation
kam.
Bohni war nach dem Zivildienst direkt Altenpfleger geworden
und er meinte, er könne sich keine schönere Arbeit vorstellen. Wäre er heute
nicht gewesen und hätte sie ihn nicht ab und zu beeindrucken wollen, hätte sie
vermutlich mindestens dreimal das Handtuch oder den Waschlappen hingeworfen.
Ein Cello nebst Spieler, das glühende Schloss –
aber eine kranke Mutter
Fünf Stunden später kuschelte Emily sich voll
freudiger Erregung in ihren Sitz in der Stadthalle. Es war so weit. Sie hatte
einen Platz in der siebten Reihe gewählt, vorne, aber auch nicht zu nah, damit
sie ihn möglichst genau anschauen konnte, er sie aber hoffentlich nicht
wahrnehmen würde. Das Orchester marschierte
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