Ein Jahr im Frühling (Cappuccino-Romane) (German Edition)
den beiden
vorstellen.
„Wir kommen zurecht“, beschloss ihr Vater den kurzen
Bericht. „Aber jetzt erzähl du erst mal. Entspricht dein neues Leben deinen
Vorstellungen?“ Beide sahen sie mit mühsam verborgener Neugier an.
„Es ist toll in Heidelberg. Ich bereue noch nicht, umgezogen
zu sein. Einige nette Leute habe ich schon kennengelernt. Ich war sogar in der
Villa einer alten Dame eingeladen, bei der Großmutter einer neuen Freundin, um
die legendäre Schlossbeleuchtung zu sehen. Allerdings ist es anstrengender als
ich dachte, gleichzeitig meinen Lebensunterhalt zu verdienen und zu studieren.“
Ihre Eltern tauschten diese Elternblicke mit den
hochgezogenen Augenbrauen, die nichts anderes hießen als „haben wir dir doch
gleich gesagt“.
„Aber ich bekomme es gut hin. Am Wochenende arbeite ich in
einem Altenheim, unter der Woche versuche ich zu studieren und zwischendrin
erkunde ich die Stadt, um dann bald als Stadtführerin einsteigen zu können.“
„Um andere alte Menschen kümmerst du dich und von uns bist
du weggezogen?“, fragte ihre Mutter vorwurfsvoll.
„Erstens zähle ich euch noch nicht zu den alten Menschen.
Zweitens muss das ja auch irgendjemand machen, weil deren Kinder und Enkel
vermutlich ebenfalls weggezogen sind“, entgegnete Emily mit rauer Stimme.
Es klingelte an der Tür. Ihr Vater öffnete. Anna trat ins
Wohnzimmer und neben ihr stand vermutlich Harry, ihr nun nicht mehr ganz neuer
Freund, der aussah wie ein zwanzig Jahre jüngerer Dany de Vito. Er war etwa einen
Kopf kleiner als sie.
„Emily hat gemailt, dass sie das Wochenende in Hamburg ist
und da wollten wir sie gerne heute Abend ausführen, wenn Sie nichts dagegen
haben, schließlich habe ich sie auch ganz lange schon nicht mehr gesehen.“
Emily wurde ganz warm vor lauter Dankbarkeit, dass sie ihren Eltern so schnell
entkommen konnte.
„Bist du auch wirklich nicht zu müde, Kind?“, fragte ihre
Mutter. Emily war schon auf den Beinen, klappte ihren Rollboy auf und warf
einige Dinge daraus in ihre Handtasche.
„Nein, es geht mir gut. Aber kann ich euch schon wieder
allein lassen?“, fragte sie und hätte sich am liebsten auf die Lippe gebissen,
weil sie ihren Eltern so eine Steilvorlage lieferte.
„Ja, das sind wir ja sonst auch“, seufzte prompt ihr Vater.
„Komm nicht so spät heim“, ermahnte sie ihre Mutter mit
einem schiefen Lächeln. Während Emily hinausging, versuchte sie mit aller Kraft
den aufdringlichen Küchenduft zu ignorieren im Bewusstsein, dass ihre Eltern
nun alleine essen mussten. Aber sie hatte Grünkohl mit Pinkel noch nie gemocht,
allein der Name war doch zum Abgewöhnen.
Auf der Straße holte sie tief Luft. Fiel dann nacheinander
erst Anna und dann Harry um den Hals. „Ihr wisst gar nicht, wie froh ich bin,
wieder weg zu können. So gerne ich meine Eltern habe, sie drücken mir wirklich
die Luft ab mit ihrer Art.“
Harry nickte
verständnisvoll. „Ob wir auch so werden, Annalein?“ Annalein tätschelte seine
Halbglatze „Wir doch nicht! Wir werden die coolsten Eltern der Welt!“
Emily schaute verblüfft zwischen den beiden hin und her.
„Habe ich was verpasst?“
„Ja“, jauchzte Anna, „ich bin schwanger, stell dir das mal
vor! Und es ist von Harry“, fügte sie wenig taktvoll dazu. Harry legte ihr über beide Ohren strahlend den Arm um die
Schulter, wozu er sich ein wenig strecken musste. Emily war wie vor den Kopf
gestoßen und irgendetwas versetzt ihr einen Stich. Anna doch nicht, ihre hippe
Freundin Anna wurde doch nicht schwanger? Sie hatte immer gedacht, dass sie als
Erste schwanger würde im Bunde, oder vielleicht auch noch Ruth, wenn sie den
richtigen Deckel für ihren ganz speziellen Topf finden würde, aber Anna?
„Jetzt sag schon was, Emi! Freust du dich denn gar nicht?“
„Klar doch, nur damit hätte ich wirklich nicht gerechnet.“
„Wir doch auch nicht!“ Und unter Tränen umarmte sie erneut
erst Anna, dann Harry und beglückwünschte sie. Die beiden nahmen sie in die
Mitte und schlenderten einige Querstraßen weiter zu ihrem Lieblingsitaliener.
„Du bist heute Abend eingeladen, Harry hat gerade einen fetten Abschluss
getätigt, das darf ich doch erzählen, Schatz?“ Harry nickte jovial. „Er
arbeitet unter anderem als Makler und hat so einem hochnäsigen Neureichen eine
schweineteure Villa verkauft.“
Später aßen sie einmal die Speisekarte hoch und runter.
Emily liebte es mit Menschen zu essen, die nicht permanent auf ihre
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