Ein Jahr im Frühling (Cappuccino-Romane) (German Edition)
sie den Berg hinunterschlenderten,
dachte sie über ihr Zusammensein nach. Sicher, er wirkte interessiert, aber sie
konnte überhaupt nicht einschätzen, ob er derzeit nur mit ihr spielte, sie
sozusagen ausprobierte, oder ob es bei ihm auch gefunkt hatte. Das Einzige, was
sie wusste war, dass sie lichterloh in Flammen stand und es genoss, neben ihm
zu laufen. Wäre Händchenhalten zu früh? Dann erinnerte sie sich an die
Jäger-Warnung von Clara und steckte ihre Hände in die Hosentaschen, damit sie
nicht in Versuchung kam, seine zu ergreifen. Sie gingen dicht beieinander, so
dass ihre Ärmel sich gelegentlich berührten. Er schien wieder geistesabwesend
zu sein. Emily hatte noch so viele Fragen zu Kathleen, zu seinem Alltagsleben,
auch zu seinem Beruf als Musiker. Aber sie hielt sich tapfer zurück. Sie hatte
das Gefühl, dass sie ihn damit nur verschrecken würde, wie einen scheuen Hirsch
oder einen prächtigen Panther, bei dem jede ruckartige Bewegung zur Flucht
führen würde. Nach einer Weile tauchte er wieder aus seinen Gedanken auf.
„Entschuldige, wenn ich manchmal etwas abwesend wirke“, er
lächelte sein breites Jungenslächeln, „das macht vermutlich das lange
Alleinleben.“ Doch sie wussten beide, dass das nicht ganz der Wahrheit
entsprach.
Der Neckar glänzte schwarz wie flüssiges Metall und die
verschiedenen Lichter spiegelten sich darin. Sie kamen zur alten Brücke und
Emily blieb stehen.
„Bist du mit dem Fahrrad oder dem Auto da?“, fragte sie.
„Mein Auto steht unten am Berg zum Philosophenweg, aber du
musst wohl hier rüber?“ Emily nickte.
„Nun, es war ein sehr schöner Abend mit dir, Emily“, sagte
er, während er sich ihr zuwandte und ihre Hand nahm. „Ich freue mich, dass du
mich angeschrieben hast und wie ein warmer Sommerwind durch mein Leben wehst“,
ergänzte er und sie schmolz dahin vor lauter Poesie. Dann gab er ihr einen
leichten Kuss auf die Stirn. Sie umarmte ihn und musste sich regelrecht
zwingen, ihn wieder loszulassen.
„Josue, du bist toll“, sagte sie nur und verschwand über die
alte Brücke. Diesmal spürte sie wieder deutlich, wie er ihr nachsah, und sie
wandte sich noch kurz um und winkte ihm zu. Als sie sich außer Sichtweite
wähnte, begann sie zu rennen, weil sie nicht wusste, wohin mit ihrem Jubel. Er
mochte sie, ganz eindeutig, und sie war so himmelhoch und abgrundtief verliebt,
wie sie das noch nie erlebt hatte. Dann stoppte sie plötzlich, als ihr einfiel,
dass sie kein Wiedersehen vereinbart hatten. Emily, sei nicht so ungeduldig und
hab Vertrauen, schalt sie sich selbst und schwungvoll lief sie weiter über den
Rathausplatz. Dort rannte sie vor lauter Unaufmerksamkeit in einen
hochgewachsenen Mann. Sie zuckte zurück: „Entschuldigung, ich bin etwas
nachtblind“, sagte sie, obwohl das nicht stimmte und sah auf.
Es war David, der sie lächelnd musterte. „Hallo Emily, so
spät noch nachts allein unterwegs?“
„Mensch, David, ich hab mich vielleicht erschreckt. Ja, ich
komme gerade von einem Date.“
Seine Sternenaugen verfinsterten sich leicht. „Ich muss
nicht fragen, wie es gelaufen ist, wenn ich dich so anschaue“, sagte er ein
wenig reserviert. Emily schüttelte den Kopf.
„Dann wünsche ich dir eine gute Nacht.“, sagte er und wollte
weiter.
Sie hielt ihn am Ärmel fest. „Das war schön auf der
Thingstätte. Vielleicht könnten wir das mal wiederholen?“
„Vielleicht“, entgegnete er und wandte sich zum Gehen.
Er schien heute schlecht gelaunt zu sein, so kannte sie ihn
gar nicht. Ach, Männer, dachte sie und wollte jetzt nur noch nach Hause in ihr
Bett, um den Abend Revue passieren zu lassen.
Die Wette, eine bauchfreie Hochzeit und keine
hässliche
Konkurrentin
Emily stand in der Stadtbücherei und kramte in den
Klassik-CDs. Sie suchte nach Cellokonzerten. Ihr erstes Semester war vorbei.
Sie hatte einige Credit Points sammeln können und war ganz zufrieden mit sich.
Allerdings hatte sie immer noch kein Gefühl dafür, ob die Soziologie ihre wahre
Bestimmung war und was sie später damit anfangen sollte. Nun freute sie sich
auf die Semesterferien. Sie würde mehr Zeit als Urlaubsvertretung im Altenheim
verbringen und nach zwei Seminararbeiten die Seele baumeln lassen. Vielleicht
könnte sie mal bei ihren Eltern vorbeischauen. Es wäre auch schön, wenigstens
eine Woche wegzufahren. Vielleicht auf eine griechische Insel? Das war gerade
aufgrund der wirtschaftlichen Situation vor Ort so richtig
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