Ein Jahr im Frühling (Cappuccino-Romane) (German Edition)
schnell
aufzubrechen, aber ich hatte die Zeit aus den Augen verloren und Lizzy ist da
sehr streng mit mir, was meine zeitlichen Zusagen angeht.“
„Lizzy, deine Tochter?“, fragte sie vorsichtig.
„Eigentlich Elisabeth, meine Frau Kathleen war Engländerin,
aber wir nennen sie Lizzy.“
„Und dein Sohn, wie heißt er?“
„Flo, mit ganzem Namen Florian. Er ist vier, Lizzy ist
sieben Jahre alt.“
„Und wer ist die Dame, die auch im Sommer ein Wollkostüm
trägt?“
„Du willst es aber genau wissen. Das ist Frau Schmitt. Die
Kinder dürfen sie Tante Hilde nennen. Sie ist meine Kinderfrau, die mich schon
in vielen Situationen in den letzten Jahren gerettet hat.“
„Und, mögen die Kinder sie?“
„Es geht, denke ich. Sie kommen mit ihr klar“, antwortete er
und ein leichter Schatten fiel über sein Gesicht, so dass Emily wusste, sie
hatte einen wunden Punkt berührt. Er seufzte. „Mein Job verlangt ungewöhnliche
Arbeitszeiten, da ist es extrem schwierig, jemanden zu finden. Am Anfang hatte
ich ein Au-pair-Mädchen, aber das war mir zu anstrengend, weil sie so stark
Familienanschluss gesucht hat. Und wenn ich zuhause bin, bin ich gerne alleine
mit den beiden zusammen. ... Oder mit jemanden, den ich mag“, sagte er schnell,
als er merkte, wie missverständlich das geklungen haben könnte.
„Nun, mein letzter Freund hat sich von mir wegen eines
Au-pairs getrennt“, sagte Emily, damit diese Information auch eingeflochten
wäre. „Deswegen bin ich sowieso nicht gut auf Au-pairs zu sprechen“. Sie
lachten und sahen sich an. Das Gute am Spaziergehen war, dass man sich nicht ständig
ansehen musste. Sie sah ihn wirklich gerne an, aber so hatte sie das Gefühl,
mehr sie selbst bleiben zu können, während sie so vor sich hinschlenderten. Er
war heute wieder leger mit Jeans und einer leichten Lederjacke bekleidet, aber
er wirkte doch immer eine Spur eleganter als andere, die die gleiche Kleidung
getragen hätten. Vielleicht war es die Nonchalance, mit der er sich nicht um
sein brillantes Äußeres zu kümmern schien, die diesen Eindruck hervorrief. Sie
hatte es noch nicht herausfinden können, fühlte sich selbst aber in seiner
Gegenwart wie ein hässliches Entlein, obwohl sie vorhin völlig mit ihrem
Spiegelbild zufrieden gewesen war. Er schien das allerdings nicht so zu sehen,
denn immer wieder warf er ihr von der Seite Blicke zu, die ihre Weiblichkeit
sehr wohl zu würdigen wussten.
„Ich dachte, wir könnten zum Stift Neuburg laufen. Dort gibt
es auch ein kleines Restaurant und selbstgebrautes Bier, wenn du noch magst?“
Sie freute sich. „Und wie sind deine Kinder heute versorgt?“
Diese Frage konnte sie sich nicht verkneifen.
„Marie, meine Babysitterin, ist da. Sie ist die Tochter
einer Nachbarin und die Kinder lieben sie. Heute steht ein
Lars-der-Eisbär-Fernsehabend auf dem Programm und dann bringt sie sie ins
Bett“. Emily spürte einen kurzen Stich und schüttelte innerlich über sich den
Kopf, vermutlich war die Babysitterin siebzehn und es gab keinen Grund,
eifersüchtig auf ihre gute Beziehung zu den Kindern zu sein.
„Lebst du gerne in Heidelberg?“, setzte Josue das Gespräch
fort.
„Ja, sehr“, antwortete Emily. „Es ist ganz anders als in
Hamburg, viel persönlicher, überschaubarer und auch freundlicher. Die Leute
sind zwar ein bisschen raubeinig, aber auch warmherziger und offener als bei
uns. Ich habe mir sagen lassen, das sei die kurpfälzische Lebensart. Außerdem
war es höchste Zeit für mich, weiter von meinen Eltern wegzukommen. Nach Freds
Tod sind sie sehr vereinnahmend geworden. Jetzt geht es meiner Mutter aber gar
nicht gut und da habe ich manchmal doch ein schlechtes Gewissen, so weit weg zu
sein.“
Es war ganz leicht, ihm diese Dinge zu erzählen. Er hörte
freundlich zu. Auch als er vorsichtig nach Fred fragte, flossen die
Erinnerungen und ihre Trauer nur so aus ihr heraus, die sie schon lange mit
jemandem teilen wollte.
So gingen sie weiter ganz einträchtig nebeneinander her. Im
Wald war es schon ein bisschen dämmrig, dafür kam der Nieselregen nicht so
durch. Der Boden war feucht und ein wenig glitschig. Emily klopfte sich
innerlich auf die Schulter, sich doch für die braunen Schuhe entschieden zu
haben, in denen sie gut laufen konnte.
Längst hatten sie den Philosophenweg hinter sich gelassen
und den Weg, der den Berg etwas weiter hinaufführte, gewählt. Ab und zu konnte
man einen Blick auf den heute eher trüben Neckar werfen. Emily fragte:
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